Eine Nacht zum Sterben
wie das Wasser an der Oberfläche eines Teiches, und sein Mund war wie ausgetrocknet. Erst kurz bevor er einschlief, kam ihm noch der Gedanke, daß vielleicht etwas schiefgegangen war.
Er wachte nur sehr langsam wieder auf. In der Kabine war es dunkel und er lag mit dem Gesicht nach unten auf der Sitzbank. Als er sich bewegen wollte, verlor er das Gleichgewicht und fiel zu Boden; nicht weiter verwunderlich, denn seine Handgelenke waren auf dem Rücken gefesselt.
Die Mary Grant machte noch Fahrt, aber als er sich auf die Beine stellen wollte, wurden die Maschinen gestoppt, und das Schiff fing an zu treiben. Auf der Kajütentreppe waren Schritte zu hören, das Licht wurde ausgeschaltet und Gorman erschien. Er kam so dicht heran, daß Chavasse seinen säuerlichen Schweißgeruch riechen konnte.
»Na, wie geht’s dir denn, mein Freund?« Gorman tätschelte ihm die Wange.
»Was wird hier gespielt?« fragte Chavasse. Er wollte erst einmal bei seiner Rolle bleiben. »Ich dachte, wir hätten ein Geschäft gemacht.«
Gorman machte die schmale Aktentasche auf, die auf der Tischplatte lag. Er nahm ein paar Geldbündel heraus.
»Darum wird hier gespielt, mein Freund – um die grünen Scheine. Die habe ich immer schon geliebt. Wenn ich die sehe, kriege ich immer eine richtige Gänsehaut. Ich liebe die kleinen Bündel so sehr, daß ich es nicht ertragen könnte, wenn ich mich davon trennen müßte.«
»Okay«, sagte Chavasse. »Ich will Ihnen keine Schwierigkeiten machen. Setzen Sie mich auf der anderen Seite ab, mehr verlange ich nicht.«
Gormans Gelächter war hörenswert. Er stellte ihn auf die Beine und stieß ihn zur Treppe. »Ich setze dich schon ab, mein Freund; da sind wir ganz einer Meinung. Ich setze dich jetzt gleich ab; los komm.«
An Deck war es kalt, und es hatte angefangen zu regnen. Chavasse drehte sich um; er ließ Gorman nicht aus den Augen. Gorman machte sich an einer rostigen alten Ankerkette zu schaffen, und Chavasse sagte ruhig: »Wer hat dir den Trick denn beigebracht – Rossiter?«
Gorman ließ sofort die Kette fallen. Er starrte Chavasse an, sein schielendes Auge kam wieder in Bewegung, und als er sprach, war nur ein leises Flüstern zu hören.
»Wer bist du? Was ist los?«
»Das Spiel ist aus, Gorman«, sagte Chavasse kalt. »Meine Leute wissen genau, wo ich bin. Wenn ich nicht mehr auftauche, wirst du eine ganze Menge erklären müssen.«
Er hatte den Mann doch falsch eingeschätzt. Gorman stieß einen Wutschrei aus; er packte die Kette und holte damit aus wie mit einer Peitsche. Gerade als er zuschlagen wollte, tauchte ein Arm aus dem Schatten auf, hielt die Kette fest und zog sie ihm aus der Hand. Gorman schnellte herum, und Darcy Preston stand vor ihm.
Gorman überlegte nicht lange. Er griff in die Hosentasche und zog einen Revolver, machte aber den üblichen Fehler und schoß sofort, ohne zu zielen. Die Kugel schlug in das Steuerhaus, und Darcy sprang mit dem Kopf zuerst über die Reling.
Gorman starrte wie gebannt in das schwarze Wasser und wartete, daß er wieder auftauchte; aber Preston war unter dem Kiel durchgeschwommen und stieg auf der anderen Seite wieder über die Reling. An Bord gab es nur einen einzigen Gegenstand, der sich als Waffe eignete: eine Gaffel; ein Fischhaken mit einem langen Griff, mit dem man große Fische an Bord ziehen konnte. Die Gaffel hing an der Außenwand des Steuerhauses an einem Federhaken; die Feder machte ein melodisches Geräusch, als Preston die Gaffel abnahm, und Gorman drehte sich um.
Chavasse ging auf ihn los; er duckte sich tief wie ein Rugbyspieler und unterlief ihn. Gorman taumelte gegen die Reling. Sein Revolver entlud sich, die Kugel ging wieder ins Leere, und als sich Gorman wieder gefangen hatte und wieder zielen wollte, schlug Darcy mit der Gaffel zu und erwischte ihn mit der Spitze am rechten Oberarm. Er schrie auf und ging rückwärts über die Reling. Das schwarze Wasser schlug über seinem Kopf zusammen. Er kam nicht mehr an die Oberfläche.
»Streck die Arme aus«, befahl Darcy und durchschnitt Chavasses Fesseln mit der rasiermesserscharfen Klinge der Gaffel.
Chavasse massierte seine Handgelenke, um den Blutkreislauf wieder in Gang zu bringen. »Das nenne ich einen pünktlichen Auftritt. Aus welchem Himmel bist du eigentlich gefallen?«
»Ganz einfach«, sagte Darcy. »Als wir uns getrennt hatten, habe ich noch eine ganze Weile über alles nachgedacht, dann bin ich in deine Garage gegangen und habe mir erlaubt, dein Auto zu
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