Eine Nacht zum Sterben
Preston fing laut an zu lachen. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein.«
»Aber es ist mein Ernst«, sagte Malik. Er sah leicht beleidigt aus. »Die Wildvögel der Camargue, besonders die Flamingokolonie, sind doch bekannt. Die Leute kommen aus ganz Europa, um sie sich anzusehen.«
»Ich finde die Idee gar nicht so schlecht«, sagte Chavasse.
»Mein lieber Paul, ich habe uns sogar schon eine Ausrüstung besorgt. Ein kleines Motorboot und alles mögliche an Zubehör. Ein Schlauchboot, kugelsichere Westen und Wasserstiefel, Ferngläser und eine gute Kamera. Ich habe mit S 2 in London telefoniert, und die waren einverstanden. Ich wollte keine unnötige Zeit verlieren.«
»Gut.« Chavasse überkam plötzlich eine Welle von Sympathie für Malik, und er klopfte ihm auf die Schulter.
»Wirklich phantastisch.«
»Du mußt nicht übertreiben, Paul. Immerhin werde ich für diesen Job gut bezahlt – und wenn ich mit euch mitfahre, bekomme ich das Doppelte.«
»Willst du denn mit?«
»Ich kenne die Camargue, und ihr kennt sie nicht; es gibt also keinen vernünftigen Grund, es nicht zu tun.« Er lächelte. »Und ihr habt wirklich keine Ahnung, wie langweilig das Leben heutzutage sein kann. Ein bißchen Bewegung würde mir guttun.«
»Also abgemacht.« Chavasse wandte sich zu Darcy, der hinten im Wagen saß. »Es geht doch nichts über eine gute Organisation.«
»Oh, ich bin schwer beeindruckt«, sagte Darcy. »Aber ich wäre noch mehr beeindruckt, wenn ich irgendwann auch mal was in den Magen bekäme. Der hängt mir nämlich schon auf den Knien.«
»Auch dafür ist gesorgt, Monsieur«, sagte Malik. »Bis zu meinem Café ist es nicht mehr weit. Meine Frau wird Ihnen, wenn auch widerwillig, Bouillabaisse anbieten; das ist die Spezialität dieser Gegend. Aber wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf: Nehmen Sie lieber ihren gefüllten Hammel mit Reis; das verschafft Ihnen ihre ewige Freundschaft.«
»Fahren Sie nur zu«, sagte Darcy; und als Malik den Renault auf die andere Spur steuerte, hätte er fast einen Bus gestreift. Er bog in eine enge Seitenstraße ein, die zum Hafen hinunterführte.
Malik hatte nicht zuviel versprochen; der gefüllte Hammel mit Reis schmeckte ausgezeichnet. Nach dem Essen fuhren sie in den alten Hafen, stellten den Renault ab und gingen zum Kai. Dort lagen Boote und Schiffe jeder Art und jeder Größe vor Anker; eine Unmenge von Segel- und Beibooten säumten den Kai. Sie gingen über eine Steintreppe nach unten, und Malik holte ein Beiboot für sechs Mann ein.
Chavasse nahm die Ruder; im Hafen herrschte Hochbetrieb, und sie hatten Mühe, sich einen Weg zu dem sechs Meter langen Motorboot zu bahnen. Das Boot hieß L’Alouette , es war weiß und hatte einen hellroten Streifen; die Aufbauten waren aus Fiberglas. Darcy kletterte als erster an Bord, gab Malik die Hand und half ihm beim Einsteigen. Chavasse machte das Beiboot fest und stieg als letzter über die Reling.
Die Kabine war klein; zu beiden Seiten waren gepolsterte Sitzbänke angebracht, auf denen man notfalls auch schlafen konnte. Es gab noch eine Toilette und eine kleine Kombüse an Bord.
Malik ließ sich mit einem Seufzer nieder und zündete sich ein dünnes schwarzes Zigarillo an. »Dann wollen wir mal anfangen mit dem Geschäft. In dem Schränkchen, Paul, findest du eine Karte. Unter dem doppelten Boden habe ich ein paar Maschinenpistolen und ein halbes Dutzend Granaten verstaut. Die könnten uns vielleicht nützlich sein.«
Auf der Karte war die Camargue in allen Einzelheiten abgebildet; nicht nur die zahlreichen Mündungen der Rhone, auch jede Lagune, jede Sandbank, jedes kleine Flüßchen.
»Wir können uns nicht hundertprozentig auf die Karte verlassen«, sagte Malik. »Ebbe und Flut und die Flußströmung verändern ständig die Beschaffenheit der Küste. Eine Sandbank kann heute hier und morgen dort sein; und ein paar von den kleinen Flüßchen können jederzeit austrocknen. Trotzdem werden wir nicht allzu viele Schwierigkeiten haben. Die Alouette hat nur einen Tiefgang von knapp einem Meter.«
»Und Hellgate? Ist das auf der Karte verzeichnet?« fragte Darcy.
»Ja. Es liegt auf dem Point du Nord, und zwar auf der Marseille zugewandten Seite. Drei oder vier Kilometer landeinwärts liegt das Dorf Chatillon. Hellgate ist ein paar Kilometer nordöstlich von dem Dorf verzeichnet.«
Chavasse fand es nach Maliks Beschreibung; es war eine Insel in einer Lagune; sie hatte sichelförmige Umrisse wie ein Halbmond. »Hast du
Weitere Kostenlose Bücher