Eine Nacht zum Sterben
wer sollte dann die Schecks ausschreiben?« fragte Rossiter. Es klang wie ein Vorwurf.
Das erklärte natürlich vieles. Nun passierten mehrere Dinge auf einmal. Montefiore kam wieder zu Bewußtsein; er stöhnte, schlug wild um sich und setzte sich aufrecht; und ein Schlauchboot mit einem Außenbordmotor tauchte aus dem Nebel auf. In dem Boot saßen zwei Chinesen und der Schäferhund.
Die beiden Männer kamen an Bord; sie ließen den Hund im Schlauchboot. Ho Tsen redete heftig auf die beiden ein; er sprach chinesisch und so schnell, daß Chavasse kein Wort verstehen konnte. Der Mann antwortete mit leiser Stimme und sah beschämt zu Boden. Ho Tsen schlug ihm ins Gesicht.
»Haben die Männer eine Dosis bei sich?« fragte Rossiter auf chinesisch.
Der eine legte sein Gewehr zur Seite und zog ein kleines Lederetui aus der Tasche. In dem Etui war eine kleine Ampulle. Rossiter machte eine Injektion zurecht und nickte den beiden Chinesen zu. Die drückten Montefiore an den Schultern zu Boden, und Rossiter gab ihm eine Spritze in den Unterarm.
»Das müßte ihn beruhigen.«
Montefiore hörte auf, um sich zu schlagen. Er wurde sehr leise, alle Spannung schien von ihm gewichen; und dann passierte etwas Seltsames. Er machte die Augen auf, sah Rossiter an und lächelte. »Pater Leonard?« sagte er. »Pater Leonard.«
Und er lächelte, seufzte leise, und sein Kopf fiel zur Seite.
Für einen Augenblick war alles still. Rossiter befühlte vorsichtig sein Gesicht. Ho Tsen erfaßte die Situation als erster. Er stieß Rossiter zur Seite, griff Montefiore bei den Schultern und schüttelte ihn grob. Dann drehte er sich um, und die Wut stand ihm in den Augen.
»Er ist tot – verstehst du? Du hast ihn umgebracht. Ich habe dich immer gewarnt – ich habe dir gesagt, daß du ihm zuviel gibst.«
Er versetzte Rossiter einen heftigen Schlag, und der taumelte gegen die Sitzbank. »Ein Fehler nach dem anderen. In Tirana wirst du eine Menge erklären müssen.«
Sekundenlang konzentrierte sich alles auf den Engländer. Chavasse stieß den anderen Chinesen zu Boden, lief durch die Tür und sprang über die Reling. Er kam schnell wieder an die Oberfläche und schwamm, so schnell er konnte, auf das schützende Schilfrohr zu.
Er warf einen raschen Blick nach hinten und sah, wie Darcy an der Reling mit den beiden Chinesen rang. Ho Tsen kam hinzu, schlug den Jamaikaner mit dem Gewehrkolben auf den Kopf, legte dann an und zielte. Chavasse tauchte und schwamm unter Wasser weiter.
Er erreichte das Schilfrohr, drehte sich um und sah zurück. Die beiden Chinesen saßen im Schlauchboot und legten ab; der Hund heulte fürchterlich. Chavasse bahnte sich einen Weg durch das Schilf. Er schwamm und watete abwechselnd. Von weitem hörte er, daß die Alouette gestartet wurde.
Er stieß auf einen Flußarm, der so tief war, daß er keinen Boden mehr unter den Füßen spürte. Er mußte wieder schwimmen; am gegenüberliegenden Ufer wuchs eine graugrüne Wand von mannshohem Gras. Er kämpfte sich hindurch und mußte weiterschwimmen. Nach ein paar Minuten legte er eine Pause ein und trat Wasser. Das Motorengeräusch der Alouette wurde leiser. Wahrscheinlich fuhren sie nach Hellgate zurück. Das Knattern des Außenbordmotors war aber immer noch in allernächster Nähe, und das furchtbare Heulen des Hundes klang, als käme es aus einer anderen Welt. Er schwamm und watete weiter, bahnte sich einen Weg durch das Schilfrohr, und plötzlich wurde der Außenbordmotor abgestellt, und der Hund hörte auf zu bellen. Nun konnte er nicht mehr abschätzen, wie weit seine Verfolger noch entfernt waren.
Er bekam Boden unter die Füße und stapfte durch dicken schwarzen Schlamm. Schilfrohr und Gräser wuchsen spärlicher; er hatte nun relativ festen Grund erreicht. Der Kompaß hing noch um seinen Hals; er konnte sich also orientieren und versuchte, sich angestrengt an die Einzelheiten auf der Karte zu erinnern. Das war ein recht alter Trick, aber er funktionierte. Die Insel, auf der er jetzt stand, war die einzige in der Umgebung des Ankerplatzes der Alouette ; sie hatte einen Durchmesser von ein paar hundert Metern, und Hellgate mußte vier- oder fünfhundert Meter nordöstlich liegen.
Er fing an zu laufen, und beim Laufen bekam er plötzlich einen furchtbaren Schreck und blieb auf der Stelle stehen. Meter vor ihm war ein Stier aus dem Nebel getaucht. Das Tier hielt den Kopf hoch erhoben und starrte ihm direkt in die Augen. Seine Nüstern dampften. Chavasse tat ein
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