Eine Parkuhr fuer mein Pferd
Fallhöhe und Gewicht
des fallenden Gegenstandes sowie seine Geschwindigkeit
und Beschleunigung. Wenn du nun bei einer Pirouette, wie
wir sie eben gesehen haben, die Zentrifugalkraft als Faktor
mit einbeziehst, kannst du genau ermitteln, an welcher
Stelle du mit welcher Wucht auf welchen Körperteil
knallst.“
„Sehr witzig“, brummte Hans. „Mir liegt mehr daran, zu
wissen, wie ich das Fallen verhindern kann.“
„Indem du dich festhältst natürlich. Wozu hast du denn
Steigbügel für die Füße und Zügel für die Hände? Darüber
hinaus kannst du dich jederzeit in der Mähne festkrallen.“ Hans blickte auf das Halfter in seiner Hand und hielt es
so, wie er glaubte, daß man es einem Pferd über den Kopf
streifen müßte. „Weißt du, wie wir es machen?“ sagte er.
„Du hältst Südwind am Schwanz oder einem Hinterbein
fest, damit er nicht weglaufen kann, und ich fessele seinen
Kopf mit diesem Ledergewirr hier.“
Andreas tippte sich an die Stirn.
„Meinst du, ich will mir die Zähne ausschlagen lassen?
Man darf sich nie einem Pferd von hinten nähern. Ich
mach dir einen besseren Vorschlag. Wir drängen ihn in
eine Ecke, die Weide ist ja glücklicherweise kaum größer
als ein Handtuch, halten ihm irgend etwas Freßbares vor
die Nase, damit er neugierig wird, und schwupp! ehe er bis
drei zählen kann, hat er das Lederzeug am Hals.“ „Okay“, stimmte Hans zu, „aber woher was Freßbares
nehmen?“
„Ich hab schon was“, sagte Andreas. „Hinten auf dem
Hof liegen ein paar Möhren.“
Tatsächlich, als Südwind auf den Möhren herumkaute,
ließ er sich das Halfter überstreifen. Allerdings ging er
keinen Schritt vorwärts, sosehr Hans auch an dem Strick
riß, den er an den Ring des Kinnriemens gebunden hatte. „Nur die Ruhe bewahren“, mahnte Andreas. „Wir
müssen jetzt herausfinden, mit welchen Worten er aus der
Reserve gelockt werden will. Ist ja klar, daß wir irgend
etwas nicht so machen, wie er es gewohnt ist.“
Hans hielt den Strick in der linken Hand und tätschelte
Südwind mit der rechten den Hals. Das Tier neigte den
Kopf, so daß sein Ohr sich genau vor Hans’ Mund befand. „Bist ein braves Hottehü“, flüsterte er, „nun komm, wir
wollen ein Stück Spazierengehen.“
Da marschierte das Pferd los, und zwar so schnell, daß
Hans kaum schritthalten konnte.
„Na also“, rief Andreas, „du hast das Geheimrezept
schon entdeckt! Ins Ohr will er was geflüstert haben.
Komm, führ ihn hier herüber, ich öffne das Gatter.“ Hans war selig. Es war ein unbeschreibliches Gefühl,
neben einem so großen Tier hergehen zu können und
seinen Atem und seine warme Ausdünstung zu spüren. In
diesem Augenblick ahnte er, daß er im Begriff war, einen
Freund zu gewinnen.
„Fahr man los“, sagte er zu Andreas, „und unterrichte
deine Eltern, daß das Pferd jetzt gebracht wird. Ich komme
nun ohne deine Hilfe aus.“
„Hoffen wir’s“, antwortete Andreas. „Also dann bis
gleich! Ich erwarte dich in einer knappen Stunde.
Inzwischen werde ich schon mal einen Pfahl in unsern
Rasen rammen.“
Damit kletterte er in seine Ente und fuhr davon. Hans aber trottete glücklich mit dem Pferd an der Leine
hinterher.
Eine Stunde reichte jedoch nicht für die fünf Kilometer.
Er brauchte mehr als das Doppelte dafür. Es gefiel
Südwind nämlich, ein bißchen vom direkten Kurs
abzuweichen und einen kleinen Abstecher zu einem
Maisfeld zu machen. Dort verhielt er den Schritt und
zupfte an den jungen Pflanzen herum. Nun waren die am
Rande wachsenden ihm anscheinend zu staubig, denn er
drang tiefer in das Feld ein und naschte von den in der
Mitte stehenden.
„Bist du denn von allen guten Geistern verlassen?“
schrie Hans und versuchte, ihn mit aller Kraft an dem Seil
herauszuziehen.
Das gefiel Südwind ganz und gar nicht. Mit einer
energischen Kopfbewegung riß er sich los und galoppierte
kreuz und quer durch das Maisfeld.
Hans war verzweifelt. Wenn jetzt der Bauer kommt,
macht er mich fertig, dachte er. Wie fange ich das blöde
Biest bloß wieder ein? Vorsichtig stapfte er die Schneise
entlang, die Südwind in das Feld gebrochen hatte, und
gelangte so nach verschiedenen Irrgängen auf die andere
Seite. Dort führte nur ein schmaler Wirtschaftsweg
entlang. Auf dem war Südwind weitergetrabt und stand
nun etwa hundert Meter entfernt an einer Rotbuchenhecke,
deren zarte Blätter er auf ihren Wohlgeschmack testete. Hans lief, so leise er konnte, auf ihn zu. In dem Moment
jedoch, als er nach dem Seil greifen
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