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Eine private Affaere

Eine private Affaere

Titel: Eine private Affaere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Burdett
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seine Solicitors, die zufrieden über die Art und Weise, wie ich seinen Fall im Tower Bridge Magistrates Court gewonnen hatte, mir immer mehr Arbeit schickten. Von ihnen erfuhr ich, daß er tatsächlich unter der ältesten menschlichen Sucht litt: der Sucht, andere zu verraten.
    Unter seinesgleichen war er als Spitzel bekannt, deshalb hatte er keinen angenehmen Aufenthalt in den Scrubs zu erwarten. Vielleicht würden Sie ihn früher entlassen. Die Solicitors hatten gehört, daß ihm seine Mitsträflinge besonders zusetzten.
    Ich verschwendete nur wenige Gedanken an ihn. Das sonnenlose Elend seines Sommers drinnen konnte kaum einen Schatten auf den Glanz des meinen draußen werfen. Damals gab ich mich zwei heftigen Leidenschaften hin. Die eine war der Ehrgeiz, die andere Daisy. Im krassen Widerspruch zu allen Gesetzen des Lebens schien ich mich beiden gleich stark und zur gleichen Zeit widmen zu dürfen.

[5]
    Am Montag nach seinem Tod wachte ich auf, Daisy noch schlafend in Embryohaltung an mich geklammert. Er war in einer kalten, windigen Nacht Ende März gestorben, doch jetzt war April mit all seinen quälenden Vorboten des Frühlings. Das Licht fiel in mein Schlafzimmer, auf ihre Kleider und ihre Unterwäsche, die auf dem Boden lagen. Ihr blondes Haar ergoß sich über mein Kissen und meine Brust, so daß ihre anmutige Schulter und das Grübchen, wo ihr Schlüsselbein sich mit ihrem Nacken verband, zu sehen war.
    Ich atmete so flach wie möglich, um den Reiz des Augenblicks nicht zu zerstören, während etwas in meinem Kopf vor Glück explodierte. Ihre Augenlider flatterten; sie öffnete sie und schloß sie wieder. Dann hob sie langsam den Kopf und sah mich lächelnd an.
    »Ich hab’ schon seit Jahren nicht mehr so gut geschlafen«, sagte sie.
    »Seit wie vielen Jahren?«
    Sie streichelte meine Wange.
    Später machte ich Kaffee und rief meinen Clerk an, um ihm zu sagen, daß ich zu Hause arbeiten würde. Als ich ihr den Kaffee brachte, war das Lächeln einem Stirnrunzeln gewichen.
    »Was ist los?«
    »Ich weiß nicht, ob ich hier sein soll.«
    »Bist du denn nicht glücklich?«
    »Das ist ja das Problem: Ich verdiene es nicht. Was für eine Frau bin ich nur?«
    »Eine schöne, großzügige, geistreiche, sexy Frau.«
    Ihre blauen Augen ruhten einen Moment lang auf meinem Gesicht. »Hast du mir wirklich verziehen?«
    »Ich habe dir wirklich verziehen.«
    »Und du liebst mich wieder?«
    »Du weißt ganz genau, daß ich nie aufgehört habe, dich zu lieben.«
    »Und das rechtfertigt alles?«
    »Alles.«
    »Angenommen, alle wären so?«
    »Dann würde die Erde leuchten wie die Sonne.«
    Sie runzelte die Stirn. »Woraus ist das ein Zitat?«
    »Aus Kinder des Olymp – erinnerst du dich?«
    »Ich erinnere mich an alles. Das ist ja das Problem.«
    Ein Augenblick vor vierzehn Jahren, in dem Jean-Louis Barrault Ariette angefleht hatte zu bleiben und in dem Daisy und ich uns in einem Kino in Camden Town geliebt hatten, hatte mich inspiriert. »Nun, wo willst du sonst hin?«
    Der Fall war leichter zu gewinnen, als ich gedacht hatte. Ich hatte angenommen, daß sie mich mit dem unvermeidlichen »Laß uns warten, James« abwehren würde, aber genau wie ich schien sie sich bewußt zu sein, daß man nicht mehr so viel Zeit hat, wenn man mit großen Schritten auf die Vierzig zugeht. Noch im Lauf des Vormittags überredete ich sie, wieder mit mir zusammenzuziehen. Natürlich war das ein vorläufiges Arrangement. Genau wie das Leben selbst. Sie zog sich an und hielt inne.
    »Es hat keinen Zweck, jetzt lange zu zaudern. Laß uns gleich heute morgen mit meinem Wagen zu dir fahren und ihn mit deinen Sachen vollpacken.«
    »Dies ist der erste Tag deines restlichen Lebens«, zitierte sie mit New Yorker Akzent. »Und was ist mit der Polizei? Die beobachtet sicher meine Wohnung. Wird dich das nicht kompromittieren?«
    »Nicht, wenn wir deine Sachen abholen. Das Kompromittieren habe ich schon hinter mir; das war gestern, als Holmes mit seinem Kumpan hier war. Mach dir keine Sorgen, ich werde wegen dir nicht leiden.«
    Ich dirigierte sie die Straße hinunter zu meiner verschließbaren Garage. In Hampstead parken die Leute überall in zweiter Reihe; es wimmelt dort von Kräutermittelchen und Vollkornbrot, von pittoresken Sträßchen mit Antiquariaten, es gibt ein Pub an jeder Ecke, es war ein Tempel sanfter Schrulligkeit. Es war auch ein Getto für Außenseiter. Letztlich war sie, genau wie ich, ein geborener Außenseiter. Als die Sonne auf

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