Eine riskante Affäre (German Edition)
sehen, auf die eine oder andere Weise, Jess.
P. S.: Bitte schimpf nicht mit Pitney.«
Sebastian schaute einen Moment schweigend vor sich hin.»L’Hommemort. Das heißt doch wohl nicht das, was ich annehme.«
»Es heißt leider ganz genau das, was du annimmst. Und sie ist schon unterwegs. Zum Teufel mit der Göre!«
»Sie will Lazarus um Hilfe bitten? Der wird sie sich schnappenund bis zur Zahlung eines Lösegeldes festhalten.« Jess mochte zwar aus Whitechapel kommen, das bedeutete aber nicht, dass sie nicht mit einem Mann wie Lazarus fertig zu werden wusste.
»Das Ganze ist noch viel schlimmer. Sebastian, warte! Sie war ›die Hand‹.«
»Was?«
»Sie war ›Jess, die Hand‹, mit allem Drum und Dran.«
Die hübsche, elegante Jess hatte für Lazarus gearbeitet? »Die Hand« gehörte zum engsten Kreis von Lazarus’ Bande. »Das ergibt doch gar keinen Sinn«, sagte Sebastian. »Sie muss noch ein Kind gewesen sein, als sie London verließ.«
»Im Allgemeinen sind es ja auch noch alles Kinder. Lazarus sucht sich die jüngsten aus. Ihnen kann man vertrauen. Sie fing bei ihm an, als Josiah aus England verschwand. Und dann, Jahre nachdem er von jedermann für tot gehalten wurde, tauchte Josiah wieder auf.« Adrian erhob sich und zog seine Jacke von der Sessellehne. »Lazarus nimmt Geld dafür, dass er sie in Ruhe lässt. Aber er hat sie nie aufgegeben und auch niemals vergessen. In seinen Augen ist sie ein Deserteur.«
»Und sie marschiert geradewegs zu ihm.«
»Direkt in seinen Schlund.«
Doyle holte seine Pistole aus der Jackentasche und kontrollierte sie. Adrian steckte schon halb in seiner Jacke.
»Du nicht«, bremste Sebastian ihn. »Nur ich.«
Doyle begriff als Erster. »Weil du allein hineingehen kannst.«
»Wir können uns nicht auf einen Kampf mit Lazarus in seinem Revier einlassen. Ich muss sie mit Worten von dort wegholen.«
»Er wird sie nicht einfach so gehen lassen.« Adrian nahm die Nachricht und fing an, sie immer wieder zusammen- und auseinanderzufalten und mit den Fingern über den Knick zu fahren. »Du musst verstehen. Du und die anderen Kapitäne, ihr zahlt ein bisschen Schutzgeld, und Lazarus lässt eure Schiffe und Leute in Ruhe. Mit Jess ist das etwas anderes. Sie hat sich für einen Schilling an ihn verkauft, noch ehe sie neun war.«
Er spürte, wie sich sein Magen zu einem schweren, kalten Brocken zusammenzog.
»Sie gehört ihm, Sebastian, mit Leib und Seele. Denk daran, wenn du dort einfällst. Sie gehört ihm.«
22
Es gab viele Möglichkeiten, zu Lazarus zu gelangen. Sebastian hatte keine Zeit zu verlieren. Deshalb spürte er seinen Verschiffungsleiter an Deck der Scarlet Dancer auf und schleifte ihn mit zu jener Schenke, wo Kennett Shipping seine Schutzgebühren abdrückte.
Nachdem er sich vorgestellt hatte, führte Sebastian ein kurzes Gespräch mit dem schlanken, jungen Raffhals, der im Hintergrund Zahlungen entgegennahm und sie in einem Buch abhakte. Er beschrieb dem Jungen bis ins letzte Detail, was er mit seiner Anatomie anstellen würde, sollte man ihn nicht augenblicklich zu Lazarus bringen.
Er war keineswegs überrascht, als sich plötzlich von hinten eine schmale Klinge an seine Kehle legte. Der kleine Raffhals hatte einen Freund. Bei derartigen Begegnungen gehörte so etwas einfach dazu. Sebastian wiederholte sein Anliegen und die Drohung und warf diesmal ein Bündel Banknoten auf den schmutzigen Tisch. Ein halb erwachsenes Mädchen mit dem gepflegten und niedlichen Aussehen einer Ratte führte ihn durch das Labyrinth aus Straßen. War Jess jemals so heruntergekommen und dreckig gewesen wie dieses Kind?
Sebastian folgte dem Mädchen, bis sie an einen Ort kamen, der entweder Lazarus gegenwärtiger Fuchsbau oder ein geeigneter Platz war, um jemanden umzubringen und die Leiche zu entsorgen. Freie Auswahl.
So also kam er zu Lazarus.
Vor lauter Angst wurden ihre Knie ganz weich, aber da sie sich schon auf diesen befand, konnten ihre Beine nicht mehr unter ihr nachgeben. Sie würde nicht an die Männer und Frauen denken, die sie auf die gleiche Art vor Lazarus hatte knien sehen, während sie ihn um etwas baten. Und sie würde nicht daran denken, was einigen von ihnen widerfahren war. Auch sie hatten Angst gehabt.
Lazarus beendete die Unterhaltung mit einem Kerl und schickte ihn weg. Dann winkte er den nächsten zu sich, während er sie weiterhin ignorierte. Das war gut. Wahrscheinlich überlegte er sich gerade, was zum Teufel er mit ihr anstellen sollte, jetzt,
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