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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Räuberhöhle zu bringen. Lazarus war nicht mehr fern.
    Sie ging langsamer und beobachtete die Jungen, die mit Stöcken einen Stein vor- und zurücktrieben. Sie war sich fast sicher, dass Lazarus sie nicht umbringen würde. Fast.
    »Hier lang.« Es war der Junge mit dem boshaften Blick. Sie folgte ihm erst die eine, dann die nächste Straße entlang. Früher waren diese großen alten Häuser einmal recht schmuck gewesen. Nun bestanden sie aus vielen armseligen Wohnungen, in denen sich heruntergekommene Leute die Zimmer teilten. Hier war alles behelfsmäßig und karg, ein Leben, das aus kläglichen Mahlzeiten und geflickter Kleidung bestand und in dem man sich mit aller Macht an einen kleinen Rest Selbstachtung klammerte. Bevor sie sich an Lazarus verkauft hatte, hatten Mama und sie solch ein Leben geführt.
    Das Quartier befand sich in einem ziemlich großen Backsteinhaus, dem größten Haus an diesem Ende der Straße. Auf den Eingangsstufen saßen ein paar Schläger und genossen den Sonnenschein, während sie Würfel an die Wand warfen. Jess kannte sie noch von früher. Brutale Tiere, deren Intelligenz gerade mal so weit reichte, dass sie überrascht aufblickten und ins Grübeln kamen, als sie vorbeiging.
    Nichts hatte sich geändert seit der Zeit, als sie noch an Orten wie diesem gelebt hatte. In der großen Eingangshalle lagen türkische Teppiche kreuz und quer über die gesamte Länge des Bodens verteilt. Durch einen Nebelschleier aus Tabakqualm glühten Lampen. In den Ecken schliefen Männer, Jungen und ein paar Frauen in einem Gewühl aus Bettzeug inmitten eines Müllberges aus Flaschen und Essensresten aus den Garküchen.
    Dies war der Ort, an dem Lazarus Hof hielt. Auf einer langen Tafel lag ein Haufen aus silbernen Servierplatten und Kerzenleuchtern, Armbanduhren, Ketten, Pelzen, Geldbörsen und sogar Juwelen, die darauf warteten, aufgeteilt zu werden. Es handelte sich um Beute. Eine Machtdemonstration, sollte derjenige, der es bis hierher geschafft hatte, solch eine Zurschaustellung überhaupt noch nötig haben. Die heißeste Ware Londons lief durch Lazarus’ Räuberhöhle.
    Schon seit dreihundert Jahren gab es einen Lazarus in London. Als der alte starb, rückte ein neuer an seine Stelle. Lazarus war »der Auferstandene«, »der Listige Mann«, »der König der Diebe«. Er beherrschte die Londoner Unterwelt. Als Jess acht war, hatte er ihre Seele erstanden.
    Dass sie da war, wusste Lazarus in dem Moment, als sie eintrat, auch wenn er sich davon nichts anmerken ließ. Er saß in seinem Chefsessel und unterhielt sich mit ein paar Männern. Obwohl er mittlerweile über fünfzig sein musste, sah er nicht danach aus. Seine Kleidung war schlicht – bunt gepunktetes Halstuch und Lederweste. Arbeiterkleidung. Er hatte ein breites braunes und verlässlich wirkendes Gesicht. Er war die Art Mann, den man als Kutscher einstellen würde, bis man ihm direkt in die Augen blickte.
    »Die Hand« war heutzutage ein etwa zehn Jahre alter Junge, der zerlumpt, drahtig und scharfsinnig wirkte. Er saß neben Lazarus im Schneidersitz auf dem Boden und rauchte Pfeife. Hinten an der Wand hockte eine schwangere Frau auf dem Sofa. Cremefarbene Haare fielen ihr über die Schultern, und sie umarmte ihren prallen Bauch. Black John stand mit zernarbtem Gesicht neben Lazarus und bot den gleichen trüben, Furcht einflößenden Anblick wie immer. Sein Blick ging in weite Ferne. Es gab eine Zeit, da hatte Jess diesen Mann zu ihren Freunden gezählt. Schwer zu sagen, wie es jetzt war.
    Ihr rauer, kleiner Führer verzog sich. Sie betrat das Zimmer allein. Lazarus blickte nicht auf.
    Na ja, was hatte sie erwartet? Sie seufzte und durchquerte den ganzen großen Raum. Wenige Schritte vor Lazarus blieb sie stehen und fiel einfach auf die Knie.
    Sebastian saß auf der Armlehne des roten Samtsofas und zog seine Uhr auf. Auf diese Weise waren seine Hände beschäftigt und landeten nicht in Mr. Horace Buchanans Gesicht, dem Whitby-Angestellten und Spitzel des britischen Geheimdienstes.
    »… sich dieses stinkende Tier überall am Schreibtisch scheuerte. Ich wollte ihr die Morpeth-Papiere zum Unterschreiben bringen, und sie hat mich angefaucht. Wollte, dass ich verschwinde.« Buchanan lümmelte sich mit mitteilsamer Entspanntheit in seinem Sessel. »Was ich dann natürlich auch getan habe. Aber nicht bevor ich sehen konnte, dass sie gerade einen Brief zu Ende schrieb. Und … «, er legte eine bedeutungsvolle Pause ein, »das war etwas, das ich

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