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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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zu berichten lohnten. Die Hände fest hinter dem Rücken umklammert, wartete sie ab, was er nun mit ihr vorhatte. Lazarus nahm zwei Walnüsse in die Hand und drehte sie so zwischen den Fingern vor und zurück, dass sie die Plätze tauschten. »Warum bist du zu Lazarus gekommen, Jessamyn Whitby?«
    Das war die formelle Frage. Die Frage, die er mehrmals am Tag stellte. Sie hätte jede gewöhnliche Bittstellerin sein können. Es war, als wäre sie nie »die Hand« gewesen. Als wäre sie nie von Bedeutung gewesen. Sie hatte sich wohl zu viel von alter Zuneigung versprochen. Anscheinend waren schon zu viele Jahre vergangen, seit ihr diese von Lazarus zuteilgeworden war.
    Na schön. Dann war sie eben eine Bittstellerin. Sie würde tun, was auch immer getan werden musste. »Ich bin gekommen … « Ihre Stimme zitterte.
    »Ja?« Zur Hölle mit ihm, dass er sich so lustlos in den Sessel zurücklehnte, als ginge ihn das alles nichts an!
    »Ich möchte mir einen Gefallen erkaufen. Ich brauche die Listen aus dem Hafen.« Lazarus kassierte eine Gebühr vom Kapitän eines jeden Schiffes, das im Londoner Hafenbecken ankerte. Von jedem Seemann, der an Land ging. Und all das wurde festgehalten. »Natürlich bezahle ich dafür.«
    Sie langte in ihre Tasche, zog das Säckchen heraus und warf es »der Hand« zu. Der Wurf kam zwar unerwartet, aber der Junge, der neben Lazarus auf dem Boden saß, reagierte schnell und fing es auf. Er war so gut wie sie einst, als dies noch ihr Platz gewesen war. Geräuschlos öffnete er das Säckchen, sah nach, was sich darin befand, und reichte es an Lazarus weiter.
    Lazarus schüttete sich die Halskette in die Hand, sodass sie zwischen den Fingern herunterbaumelte, ein Netz aus flirrenden, blutroten Tropfen. Selbst in diesem schummrigen Licht zeigte die Medici-Kette ihre Klasse. Sie sah aus wie von Königinnen gewoben.
    »Die ist wundervoll.« Er drehte sie ehrfürchtig um. »Von einzigartiger Schönheit.« Feuer tanzte und funkelte in seiner Hand. »Eine außergewöhnliche Bezahlung für das Leben deines Vaters. Und du hast sie eigenhändig hergebracht. Du verstehst dein Handwerk.«
    »Ich bin eben eine Künstlerin.« Ihr Mund war wie ausgetrocknet.
    »Ich schließe den Vertrag mit dir.«
    Ihre Augen kniffen sich von ganz allein zu. Sie hatte es geschafft. Wie hoch auch immer der Preis sein mochte … das, weshalb sie hergekommen war, war ihr sicher. Eine Liste mit allen Schiffen – Schuten und Kohlekähnen, Ostseeschonern, jeder Ostindienfahrer, jede amerikanische Schaluppe, sämtliche Küstenschiffe. Schiffe, die nicht einmal flüchtige Bekannte der Zollstellen waren. Das Gros.
    Lazarus fuhr fort. »Sag mir, wann und wo, Jess, und ich lasse sie dir zukommen.« Mit ruhiger Stimme fügte er in demselben nachdenklichen Tonfall hinzu: »Wir sind noch nicht fertig. Stell dich deinen Brüdern, Jess Whitby. Du stehst vor Gericht. Es wird Zeit fortzufahren.«
    Sie erschrak so heftig, dass ihr schwindlig wurde. Die Stärke, die sie bis hierher gebracht hatte, strömte aus ihr heraus, als verlöre sie all ihr Blut. Bis zu dieser Minute hatte sie angenommen, dass Lazarus sich zu ihr bekennen und sie beschützen würde. Er hatte recht. Sie war weich und schwach geworden. Sie hatte sich etwas vorgemacht – und es auch noch geglaubt.
    Er stand auf. Dann legte er eine Hand auf ihre Schulter und drehte sie um, schob sie vorwärts, von sich weg, bis sie allein dastand. Das war alles. Kein einziges Wort zu ihrer Verteidigung.
    Sie war nicht die Einzige, die überrascht war. Aus den Reihen der Männer an der Wand dröhnte abwägendes Gemurmel, das immer lauter wurde, bis das Geräusch einem aus tiefster Kehle knurrenden Hund glich. Einige von ihnen stritten. Keiner wusste so genau, was er tun sollte.
    »Umbringen«, ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund, laut und deutlich.
    »Umbringen.«
    Sebastian hörte es. Er schob seinen dürren Führer aus dem Weg und trat durch die offene Tür ein.
    Noch rechtzeitig. Sie lebte. Jess stand allein in der Mitte des Raumes. Unverletzt. Ihr blasses Gesicht leuchtete wie ein Signalfeuer im Dunst des Zwielichts. Einen großen Schritt hinter ihr stand Lazarus wie eine dunkle, bedrohliche Säule. Dutzende von Männern drängten sich Ellbogen an Ellbogen an den Wänden und brummten wie ein Schwarm Hornissen. Dies war der engste Kreis von Lazarus’ riesiger Bande, die gefährliche Aristokratie der Unterwelt. Diebe, Zuhälter, Mörder. Männer von beispielloser Brutalität. Sie

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