Eine riskante Affäre (German Edition)
Empfindungen auf den Punkt zu bringen. Egal, wo das Brot landete, es waren immer dieselben Enten, die es sich schnappten. Wenn das nichts zu bedeuten hatte. »Die Männer, die mich beobachten … Der Erste waren Sie.«
»Mit der Order, für Ihre Sicherheit zu sorgen. Ihnen die verlangten Informationen zu geben, Ihnen Ratschläge zu erteilen, sofern Sie diese überhaupt annehmen würden.« Er blickte sie kurz an, scharfsinnig, humorvoll und rau. »Adrian hat mir aufgetragen, Sie aus Schwierigkeiten rauszuhalten.« Die Narbe auf seiner Wange legte sich in Falten. »War nicht einfach.«
Irgendwie schien sie gar nichts zu empfinden. Weder Wut noch Enttäuschung, verraten worden zu sein. Sie hatte sich daran gewöhnt, dass immer wieder die Welt um sie herum zusammenbrach. Vielleicht hatte sie die Fähigkeit, Bestürzung zu empfinden, verloren.
Doyle war also vom britischen Geheimdienst. Adrian hatte ihn zu ihr abkommandiert. Zu ihrem Schutz.
Jess wälzte den Gedanken in ihrem Kopf hin und her, und nichts geschah. Er war und blieb Doyle. Wäre in diesem Moment ein Seeungeheuer aus dem Kanal gestiegen, hätte er die Angel beiseitegelegt, es mit seinem Taschenmesser abgewehrt und ihr gesagt, sie solle »die Fliege machen«. Das Gleiche würde er auch für die Tochter des Fischhändlers tun. Dass er für den britischen Geheimdienst arbeitete, spielte für Leute wie Mr. Doyle dabei keine Rolle.
»Adrian würde mich niemals offen beschatten lassen. Er muss natürlich eine Geheimaktion daraus machen.«
»So ist er nun mal.«
Adrian, der einen Plan nach dem anderen schmiedete, um dafür zu sorgen, dass sie nicht in Gefahr geriet. Er hatte den Allerbesten geschickt, der ihm zur Verfügung stand. Dessen war sie sich sicher. Bestimmt war Doyle ein hohes Tier beim britischen Geheimdienst – würde er für Whitby’s arbeiten, dann wohl als Geschäftsführer. Adrian hatte ihn für Botengänge eingesetzt.
Und auf einmal war alles nur noch lustig. Sie hatte Doyle losgeschickt, um Scharen von Männern anzuheuern, die in ganz London Gauner verfolgen und in Büros einsteigen sollten. Wahrscheinlich hatte er sogar Geheimagenten mit diesen Aufgaben betraut. »Wie lange sind Sie schon beim britischen Geheimdienst, Mr. Doyle?«
»Mein ganzes Leben. Hab damit angefangen, hübschen Mädchen wie Ihnen Lügen zu erzählen, als ich ein Dreikäsehoch war.«
Sie beugte sich weit vor, um das letzte Stück Brot loszuwerden. »Und die ganze Zeit über habe ich nichts gemerkt. Ich hatte nicht den leisesten Verdacht. Nicht ein einziges Mal.«
»Na ja, ich bin halt gut. Um die Meeks Street herum nennt man mich ›Doyle, den geheimen Schatten‹. Hab mir einen Namen gemacht.«
Sie lachte nicht. Oder nur ein wenig.
Er blickte sie mit ernster Miene unter buschigen Augenbrauen hervor durchdringend an. »Ich habe eine Tochter in Ihrem Alter, Jess. Als ich zuletzt von ihr hörte, war sie draußen in der Wildnis Spaniens und machte den Franzosen das Leben schwer. Ich hoffe, dass sich einer um sie kümmert, wenn sie jemanden braucht. Ich hab’s für Ihren Vater getan, genauso wie für Adrian.«
Es zermürbte Jess, dass sie so sauer war. »Ich hab die Nase gestrichen voll davon, dass sich jeder um mich kümmert und dabei auch noch der Meinung ist, mich dafür von morgens bis abends anlügen zu müssen.« Sie machte Anstalten, den Korb aufzuheben. »Sie wissen ja, was das bedeutet, oder? Nämlich dass Sie für letzte Woche keinen Penny von mir sehen. Ich will verdammt sein, wenn ich einen Geheimagenten auf die Gehaltsliste setze.«
»Das kann ich nachvollziehen. Warten Sie. Lassen Sie mich das machen, Miss.«
Jeder, der zusah, würde meinen, dass der liebenswürdige, raubeinig aussehende Herr die Angel zu Boden legte und sich bückte, um der Dame den Korb aufzuheben. Er gab ihn ihr, wofür sie sich artig bei ihm bedankte. Als sie ging, lupfte er kurz die Mütze.
Sebastian folgte Jess und beobachtete die Szene aus unmittelbarer Nähe. Bei ihrer Unterhaltung mit Doyle auf der Brücke bot sie das Bild einer ehrwürdigen jungen Dame, die auf dem Weg zum Markt war. Bis zu dem Zeitpunkt, in dem sie auf die Brantel Street abbog, hatte sie sich in ein kesses Dienstmädchen verwandelt, das von der Köchin zum Einkaufen geschickt worden war und doch bitte schön zügig in die Küche zurückkehren sollte.
Der Markt von Hungerford lag gegenüber vom Fluss. Die Marktleute landeten ihre Waren an den Treppen der Themse an und karrten sie hinauf. Er war nichts
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