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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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die Schreibtischplatte und beugte sich bis auf Augenhöhe zu dem Mann herab. »Was für ein gottverdammter Vater sind Sie eigentlich?«
    »Kein sehr guter, fürchte ich.« Whitby lehnte sich zurück und rieb sich die Nase. »Sie sind wohl ein Freund von Jess.«
    Sebastians Hände ballten sich zu Fäusten. Er verspürte einen starken Drang, diesem alten Mann wehzutun. Whitby hatte Jess im schlimmsten Viertel des East Ends aufwachsen und sie in die Fänge von Männern wie Lazarus geraten lassen. Und als es für ihn selbst brenzlig geworden war, war sie losmarschiert, um auf Dächer zu steigen und Fremde anzusprechen, was Whitby nicht unterbunden hatte. »Sie wohnt in meinem Haus.«
    »Dann sind Sie also der Bastard Kennett.« Josiah Whitby wies auf einen Stuhl. »Setzen Sie sich.« Seine Miene verriet nichts als gute Laune. »Keiner erzählt mir etwas. Was treibt meine Jess denn so?«
    »Tobt im Nachthemd durch meine Flure und wühlt in meinen Privatpapieren. Haben Sie ihr das aufgetragen?«
    »Nein. Sie brauchen nicht so bedrohlich wie die Kuppel der Saint Paul’s Kathedrale über mir zu ragen, um mich das zu fragen.«
    »Im Augenblick würde ich Ihnen gern das Genick brechen.«
    »In wenigen Wochen können Sie dem Henker dabei zusehen. Sie und halb London.« Strenge, scharfe Augen musterten ihn unter buschigen Brauen hervor. »Ein nettes kleines Unternehmen, Kennett Shipping.«
    »Auch Whitby Trading ist ein nettes Unternehmen. Was hauptsächlich Jess zu verdanken ist, nicht wahr?«
    »Nahezu ausschließlich. Nicht sehr viele Menschen sind so schlau, das zu erkennen. Setzen Sie sich und erzählen Sie mir, was Jess treibt.«
    »Sie schnüffelt in meinen Verschiffungsakten herum und knackt meine Geldkassette. Sie haben eine erstklassige Diebin aus ihr gemacht.«
    »Nicht mein Werk.«
    »Das war es, zum Teufel noch mal, in der Tat nicht. Wo waren Sie, als Jess gelernt hat, Schlösser zu knacken?«
    »Hier und da.« Whitbys Lippen wurden schmal. Er ließ sich gegen die Rückenlehne sinken und zog eine Schreibtischschublade auf. Die billige Tonpfeife, die er zutage förderte, war weiß und sah noch neu aus. »Ich weiß ein wenig über Ihre Tante, Lady Eunice. Wir sind uns mal begegnet – sie wird sich nicht daran erinnern, ich jedoch sehr wohl. Sie hat sich einen Namen in London gemacht. In ihrer Obhut ist meine Jess sicher.« Eine Schublade tiefer fand er eine Tabaksdose, deren Deckel er mit dem Daumen öffnete. »So sicher, wie sie wahrscheinlich überall ist. Wie stehen Sie zu Jess?«
    »Sie gehört mir.« Sebastian setzte sich in den Sessel am Schreibtisch und streckte die Beine aus.
    Der Blick der braunen Augen wurde undurchdringlich. Einen kurzen Moment lang strahlte Whitby von Kopf bis Fuß die Gefährlichkeit aus, die sein Ruf erwarten ließ. Gleich darauf war er wieder ein dickbäuchiger alter Kaufmann in einer gestreiften Weste mit einer Pfeife in der Hand. »Mr. Pitney hat mir erzählt, dass Sie Lazarus ins Auge gesehen und Anspruch auf mein Mädchen erhoben haben. Es heißt, Sie hätten sie gekauft.«
    »Das stimmt.« Um Whitby genau das zu erzählen, war er hergekommen. Um zu sehen, was für ein Gesicht dieser Mann machte, wenn er es ihm sagte.
    »Ich würde nicht versuchen, diese Geschichte voranzutreiben.« Whitby begann, den Pfeifenkopf zu stopfen. Tabakkrümel verteilten sich über die auf dem Schreibtisch liegenden Papiere. Whitby war nicht so ruhig, wie er vorgab. »Hat Krallen, meine Jess. Sie hält Sie für den Spion, Kennett.«
    »Sie hat ihr Leben riskiert, um zu beweisen, dass Sie es nicht sind. Ich hoffe, dass es das wert war.«
    Der Alte erhob sich. Es ging ihm nicht gut. Seine Kleidung war für ihn geschneidert worden, ehe er vielleicht zehn Kilogramm abgenommen hatte. Doch seine Bewegungen waren äußerst schwerfällig, als er aufstand und losging. Dennoch wirkte er gefährlich und unbeugsam. Whitby bückte sich nicht, um ein Stück Kohle aus dem Feuer zu holen, sondern ging in die Hocke wie ein Mann, der ohne Möbel aufgewachsen war.
    Er ließ sich viel Zeit, um die Kohle mithilfe von zwei dünnen Stöcken aufzunehmen, die Pfeife zu entzünden und in Gang zu bringen. Dann blickte er hoch. Whitby hatte Jess’ Augen – ruhige, braune, beherrschte, unerschrockene Augen. Sebastian fand es befremdlich, Jess’ Blick im Gesicht dieses Mannes wiederzuerkennen.
    »Vielleicht riskiert sie aber auch ihren Hals, um zu beweisen, dass Sie es nicht sind. Haben Sie schon mal daran gedacht, Kennett? Wir

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