Eine riskante Affäre (German Edition)
schuldig.«
Sebastian presste die Zähne zusammen. Er nickte kurz.
»Und kommen Sie nicht auf die Idee, sie zu heiraten. Mir ist egal, welche Gefühle Sie für sie hegen. Sorgen Sie nicht dafür, dass sie mit dem Mann zusammenleben muss, der ihren Vater an den Galgen gebracht hat. Sie hat Besseres verdient.«
Jess hatte einen besseren Vater verdient. »Ich hoffe, Sie schmoren in der Hölle.« Sebastian hämmerte an die Tür, um hinausgelassen zu werden.
29
Kennett House, Mayfair
In dem verwahrlosten Garten hinter dem Haus des Kapitäns lag Jess mit dem Bauch auf einer Decke am Boden und stocherte im Gras. Eunice hatte sie ins Freie geschickt. Sie sollte sich etwas ausruhen, zur Vorbereitung auf die Arbeit, die ihr heute Nacht bevorstand.
Die Sonne fiel in Tausenden münzgroßer Tropfen durch die Bäume auf die Wiese. Jess pflückte eine winzige Pflanze mit drei Blättern, die sie vom Kartenspiel her kannte. »Das ist Kreuz.«
»Das ist Klee.« Claudias Füße steckten in dunkelgrünen Lederschuhen und befanden sich, einen Fingerbreit von Jess’ linkem Ellbogen entfernt, im Gras.
»Klee.«
»Er bekommt Blüten. Ungefähr so groß.« Als Jess hochblickte, zeigte Claudia es ihr mit zwei Fingern. »Purpurrot. Kugelförmig. Sie sind das bedauernswert unwissendste Geschöpf, das mir je begegnet ist.«
»Ich bin eben nur sehr selten in England gewesen.« Sie versuchte sich die kugelförmigen, purpurnen Blüten über das ganze Gras verteilt vorzustellen, schaffte es aber nicht. Hatte sie blühenden Klee je gesehen? Je mehr man über das Leben nachsann, desto merkwürdiger wurde es.
»Sie werden noch ganz braun, wenn Sie sich in der Sonne aufhalten«, warnte Claudia.
»Ich hatte mal eine Gouvernante, die so etwas Ähnliches sagte. In Ägypten bin ich braun geworden. Und danach nie wieder richtig hell. Mit vierzehn war mir das ziemlich egal.« Sie dachte ein bisschen nach. »Ist es mir mit einundzwanzig eigentlich auch noch.«
»Man kann Ihre Knöchel sehen.«
Der hübsche bedruckte Musselin ihres Kleides war bis zu den Knien hochgerutscht. »Erheblich mehr als nur die Knöchel.«
»Ich rate Ihnen davon ab, die Aufmerksamkeit der männlichen Bewohner dieses Hauses auf sich zu ziehen. Andererseits paktieren Sie ja mit Wieseln, nicht wahr?« Claudias Füße bewegten sich. »Quentin winkt mir vom Fenster zu. Ich gehe wieder hinein.« Und schon rauschte sie davon.
Unerklärliche Frau, diese Claudia. Zehn Minuten lang hatte sie dagestanden und offensichtlich etwas auf dem Herzen gehabt, hatte sich jedoch nicht dazu durchringen können, es auszuspucken.
Jess hatte sich nie die Zeit genommen, Gras einmal von Nahem zu betrachten. Immer war sie zu beschäftigt gewesen. Nun, da sie es untersuchte, fand sie heraus, dass es sich nicht einfach nur um Gras handelte. Da unten befand sich eine ganze Stadt, wie London, voll mit Bewohnern der unterschiedlichsten Arten. Klee. Ameisen. Käfer. Was dazu führte, dass man ins Grübeln geriet, worauf man eigentlich trat, wenn man herumlief.
Sie war nach draußen gekommen, um in Ruhe nachzudenken. Bisher war sie noch nicht allein gewesen. Aber wollte sie wirklich grübeln? Eher nicht.
Jess pflückte eine dieser Pflanzen, die samtweich und hart zugleich waren und glockenförmige blaue Blüten besaßen. Diese Blüten waren kleiner als ihr Fingernagel. Als sie die Blätter zerrieb, verströmten sie den Duft von Minze.
Eine tiefe Stimme hinter ihr erklärte: »Das ist Schwarznessel.« Es war Sebastian.
»Ganz bestimmt wird es auf irgendeinem Schiff etwas für dich zu tun geben.« Sie sah nicht hoch.
»Daraus macht man Hustensaft.« Er ließ sich neben ihr auf der Decke nieder.
Jess drehte die kleine Pflanze zwischen den Fingern. Der Stiel fühlte sich buckelig an.
»Er ist quadratisch. Sieh mal.« Sebastian nahm sie ihr aus der Hand, kappte das Ende des Stängels und ließ sie ihn betrachten. »Ich erinnere mich, wie Standish mir das zeigte, als ich das erste Mal zu ihnen kam. Ich war sieben oder acht.«
Eine Pflanze mit einem quadratischen Stiel. Wozu brauchte man wohl Pflanzen mit quadratischem Stiel? Um sie dichter nebeneinanderlegen zu können?
»Du kannst sie essen, wenn du möchtest«, erklärte Sebastian.
Sie rollte sich auf den Rücken und schaute zum Himmel, während sie in den Stiel biss. Er schmeckte nach den rot-weißen Süßigkeiten, die im Laden zu kaufen waren. Sebastian rückte näher, bis er hager und entschlossen auf sie herablächelte. In seinen Augen
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