Eine riskante Affäre (German Edition)
Spielen Sie doch mit!«
»Heute nicht. Vielleicht, wenn ich mich besser fühle.« Vielleicht dann, wenn der Mond grün wird und wie ein Frosch über den Himmel hüpft.
»Dann also in Kürze. Wir werden es mit Whist versuchen. Vielleicht hat Claudia mit Whist mehr Glück.« Während er die oberen Karten mischte, ließ er das untere Viertel, wie es war. Dort, wo sie herkam, sagte man »das Buch manipulieren« dazu. Eigentlich stellte er sich gar nicht so ungeschickt an, sie jedoch hatte es von Experten gelernt.
Mit fünfzehn hatte sie das Falschspielen ein für alle Mal aufgegeben. Sie hatte Papa versprochen – was ihr Geschenk für ihn an ihrem eigenen Geburtstag war – , dass sie nie mehr beim Kartenspiel betrügen würde. Papa hatte sie unbedingt bessern wollen.
Es machte aber keinen Spaß, Karten zu spielen, wenn man nicht mogeln konnte. »Ich spiele nicht sehr oft.«
Quentin war mit Ausgeben fertig und lächelte mit geheimnisvoller Überlegenheit. »Ich bringe es Ihnen bei. Es ist nicht besonders schwer zu erlernen für eine Frau. Ich verspreche Ihnen, dass ich nicht zu streng sein werde.« Ordentlich reihte er fünf kleine Kupfertürme vor sich auf. Halfpenny für Halfpenny kratzte er am Geld seiner Schwester und betrog sie um Heller und Pfennig. Was sollte sie nur davon halten? Da gab es Männer, die in der Wüste in runden, schwarzen Ziegenhaarzelten lebten und die sie besser verstand.
Quentin teilte sich und Claudia Karten vom Stapel aus, wobei er einige von oben, andere von unten nahm.
Seine Schwester hob die Karten auf, schaute sie an und wählte dann mit zu Recht bedrückter Miene diejenigen aus, die sie abzulegen gedachte. »Ich bin mir sicher, dass sie das Kartenspiel beherrscht, Quent. Mit vulgärem Enthusiasmus wahrscheinlich.«
Warum fallen mir nie solche Beleidigungen ein? Jess kuschelte sich in ihren Schal. »Dann ist es also vulgär, beim Kartenspiel zu gewinnen.«
»Für eine Dame«, Claudia rümpfte die Nase, »ist es unerheblich, ob man gewinnt oder verliert.«
»Ach. Darüber hat meine Gouvernante nie ein Wort verloren, und sie soll die Cousine eines Marquis gewesen sein. Ich hatte schon lange den Verdacht, dass uns diese Frau hübsch übers Ohr gehauen hat.«
»Mein Stich.« Quentin nahm sich die Karten vom Tisch, glättete die Ecken und stapelte sie vor sich auf.
Einen kurzen Moment lang entdeckte sie – was eigentlich? – in Claudia Ashtons Augen? Ein hämisches Grinsen? Verärgerung?
Claudia war nicht dumm. Sie musste wissen, dass ihr Bruder betrog. Ob der Kapitän davon wusste? Das mussten packende Abende sein, wenn sie am Spieltisch zusammensaßen, sich gegenseitig zu ihrer vornehmen Abstammung beglückwünschten und Quentin ununterbrochen betrog.
Hier wird mir nie langweilig werden.
»Habgier allerdings ist das Verderben der Kaufmannsfamilien … «, redete Claudia weiter.
Doch Jess hörte nicht zu. Sie lauschte der Stille. Unten war es ruhig geworden.
Stille, wo keine sein durfte, ist äußerst beunruhigend. Sie lässt einem die Haare zu Berge stehen. Da ist zum Beispiel die Stille auf einem Schiff, das sich plötzlich im Auge des Sturms befindet. Die Stille im Wald nach dem fernen Heulen der Wölfe. Die Stille in einer Schenke, sobald jemand ein Messer zückt.
Von der Rückseite des Hauses waren plötzlich kein Gemurmel und kein gedämpftes Klappern in der Küche mehr zu hören. Jess war schon auf den Beinen, ehe sie vernahm, was durch den Boden nach oben drang: das Bersten und der schrille Aufschrei.
Sie rannte los.
Da sie ohne Schuhe war, rutschte Jess in extremer Schräglage die Küchentreppe hinunter. Das ständige Auf und Ab der Bediensteten hatte die Trittflächen äußerst glatt poliert. Schön weiter. Halt dich am Handlauf fest. Beeil dich!
Die große Küchengrotte war lichtdurchflutet wie eine Bühne. Weiß verputzte Wände erstrahlten unter hell leuchtenden Lampen. Mit einem kurzen Blick erfasste Jess den grauen Steinplattenboden, die auf dem Herd brodelnden Kupfertöpfe, das blau-weiße Geschirr und die langen braunen Holztische mit der weißen Mehllandschaft darauf.
An der Hintertür stand Eunice einem bulligen Untier von einem Mann mit hochrotem Kopf gegenüber, der betrunken grölte.
Die Köchin und zwei Küchenmägde hockten vor dem Kamin. Ein Mädchen in billigem rotem Satin kauerte am Boden und schrie sich die Seele aus dem Leib. Dienstboten waren nicht anwesend. Niemand war da, um Eunice zu helfen. Der Ort war voller panisch kreischender
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