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Eine riskante Affäre (German Edition)

Eine riskante Affäre (German Edition)

Titel: Eine riskante Affäre (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bourne
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Hackbrett.«
    »Mach ich.« Pitney zog sich die Jacke aus und krempelte die Ärmel hoch. Die Handlanger der Regierung hatten Kedgers Käfig ein paar Zentimeter von der Wand abgerückt, um einen Blick dahinter zu werfen.
    Kedger schlüpfte auf ihren Schreibtisch und beschnupperte die Briefe. Er schnappte sich eine Feder, sprang los und plumpste mit einem leisen Grunzen auf den Boden. Dann lief er lautlos über den Teppich, doch Jess hörte sein Trippeln, als er auf die nackten Holzdielen kam. Er verschwand mit der Feder unter dem Bücherregal, um sie zu verschlingen.
    »Höchste Zeit, dass du England verlässt.« Pitney wuchtete den Käfig an seinen Platz zurück, erst die eine Ecke, dann die andere, Stück für Stück. Die vielen Jahre gemeinsamer Schmuggeltouren mit Papa hatten ihn im Bewegen seltsamer Lasten geschult. »Zeit, den Anker zu lichten, Jess, und sich davonzumachen.«
    »Dafür ist es schon zu spät.«
    Der Pförtner am Eingang von Whitby Trading wollte ihm einen Laufburschen zur Seite stellen, der ihm den Weg wies, doch Sebastian schüttelte den Kopf und ging vorbei. Er kannte den Weg. Er nahm den Hauptaufgang und durchquerte einen langen Flur, in dem es stark nach Gewürzen roch. Rechts von ihm öffneten sich Torbögen zum unteren Stockwerk, wo Seile und Winden hingen und es etwa sechs Meter jäh in die Tiefe ging. Der Haupttrakt dort unten verfügte über mehrere Hundert Quadratmeter Lagerfläche, und dies war nur eins ihrer Gebäude. Whitby’s war ein großes Unternehmen.
    Jess war der Preis im Mittelpunkt dieses Labyrinths. Er kam an leeren Räumen und einem Laufburschen vorbei, der es eilig hatte. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Kein einziger Wachmann war zu sehen. Und die Angestellten befanden sich irgendwo im Haupttrakt und überprüften Waren. Hier konnte jeder einfach so hereinspazieren, eine Frau in einen Teppich wickeln und sich mit ihr aus dem Staub machen. An diesem Ort war Jess nicht im Geringsten sicher.
    Er selbst unterhielt kein Lagerhaus in London. Seine Fracht wurde gleich bei den Kais von dort angemieteten Flächen aus verkauft. Sein Agent – Eaton Expediters – hatte ihm zwei Schreibtische zur Verfügung gestellt und kümmerte sich um die Zollformalitäten und seine Rechnungen. Kennett Shipping war ein schlankes, doch wachsendes Unternehmen. Eines Tages würde er das besitzen, was Whitby hier hatte.
    Der Raum des Büroleiters war neun Meter lang, hatte eine hohe Decke und war mit Geschäftsbüchern und Akten vollgestopft. Jess’ Büro befand sich am anderen Ende. Ein breites Glasfenster gewährte ihr einen Kontrollblick auf die Angestellten. Durch ein weiteres Fenster auf der gegenüberliegenden Seite ihres Büros konnte sie nach unten ins Lager sehen. Bei Whitby’s rührte sich nichts, ohne dass sie es mitbekam. Dies war das Herz des Königreichs.
    Sie war in ihrem Büro, wo sie wie ein voll im Wind stehender Klüver an ihrem Schreibtisch hing. Sebastian hielt auf sie zu, vorbei an Reihen von Schreibtischen, die mit Feder und Tintenfass akzentuiert waren.
    Ganz ohne Schutz war sie nicht. Der Mann da bei ihr – es war Pitney, der Direktor von Whitby, London – hatte gerade den Frettchen-Käfig an seinen Platz zurückgeschoben und kam um den Schreibtisch herum, sodass sein stämmiger Leib die Sicht auf sie zum Teil verdeckte und ihr etwas Privatsphäre bot. Es sah so aus, als gäbe er auch sonst auf sie acht. Ein kleiner, aber wichtiger Punkt.
    Heute trug sie schlichtes Dunkelgrün. Ihr dunkelblondes Haar war streng hinter dem Kopf zusammengefasst und zeigte ihr Gesicht mit der asketischen Reinheit einer byzantinischen Ikone. Egal, wie er sie gesehen hatte – ob splitternackt oder von Kopf bis Fuß eingewickelt – , sein Verlangen nach ihr war gleich wieder geweckt. Ein kurzer Blick in dieses Büro genügte, und er wurde steif wie ein Junge, der zum ersten Mal im Bordell war. Der dümmste Muskel weit und breit. Der ihm zudem noch so verdammt viel Konzentration raubte. Er verharrte auf halbem Wege und berechnete eine Minute lang die Kosten, die beim Austausch der Leinen auf der Lively Dancer entstünden, bis er den kleinen Springteufel wieder in der Schachtel verstaut hatte.
    Als er sich näherte, konnte er sehen, dass sie den sorgsam aufgebauten bunten Tassenstapel neben dem Messingsamowar nicht angerührt hatte. Die Regale an allen Wänden des Zimmers wiesen Lücken in den Reihen der Hauptbücher auf, was irgendwie an fehlende Zähne erinnerte. Dort hatten sich die

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