Eine riskante Affäre (German Edition)
kannst?«
»Ich … «
»Was habe ich oder sonst wer davon, wenn du auf Eatons Türschwelle im eigenen Blut krepierst? Wie? Was wird dann aus mir, wenn du dir wie ein Huhn den Hals brichst?«
»Ich habe aufgepasst.«
Die Fenster hielten eine gestreifte Ansicht von Regen bei Sonnenuntergang bereit, blickte man durch die Eisengitter. Schon bald würden sie die Vorhänge zuziehen und die Nacht aussperren.
»Aufgepasst? Ich schwöre bei Gott, wenn ich noch einmal höre, dass du über irgendwelche Dächer hüpfst, verfrachte ich dich auf das nächste Schiff, das England verlässt. So etwas kann ich nicht dulden.«
»Ja, Papa.« Er war fast damit fertig, sie anzuschreien, was nicht nur für sie beide, sondern wahrscheinlich auch alle anderen im Haus eine Wohltat wäre.
»Pitney kann nicht noch einen Idioten gebrauchen, um den er sich kümmern muss. Schließlich hat er doch schon das ganze Londoner Büro, den halben Zoll und die Handelskammer dafür.« Sie hockte auf dem kleinen Schemel beim Feuer. Papa legte die Hand auf ihren Kopf, als wäre sie noch immer ein Kind. »Du musst damit aufhören, so riskante Sachen zu machen.«
Er sorgte sich um sie. Papa saß hinter Gittern, und sie konnten ihn jede Stunde jedes Tages ins Newgate-Gefängnis bringen und Anklage gegen ihn erheben. Er verschwendete seine Zeit damit, sich Sorgen um sie zu machen. »Ich passe auf.«
»Na, da bin ich aber beruhigt. Meine Jess sagt, sie passt auf. Wo bleibt dein gesunder Menschenverstand, Mädchen? Wenn du unbedingt bei Eaton einbrechen musst, beauftrage jemanden. Diebe gibt’s an jeder Straßenecke. Ist nicht so, dass wir nicht die Kohle dafür hätten.«
Da könnte sie doch gleich ihre Angelegenheiten vom Dach posaunen, wenn sie einen Dieb engagierte. Keiner von denen war ehrlich. »Ja, Papa.«
»Oder bestich jemanden. Durch simple Bestechung bleibt der Welt ein Haufen Ärger erspart. Womöglich hat auf diese Weise irgendeiner unsere Bücher in die Finger bekommen und uns die falschen Beweise untergeschoben. Bestimmt stellt sich heraus, dass es einer der Angestellten und ein kleines Bestechungsgeld waren.«
»Womöglich hast du recht.«
Er legte die Knöchel an ihren Wangenknochen und drückte damit all das aus, was er nicht in Worte fassen würde. »Du hast da einen herrlichen blauen Fleck. Wirklich ganz reizend.«
»In letzter Zeit mache ich einen Bogen um Spiegel. Ist aber nicht so schlimm.«
»Nicht so schlimm, dass du deinem Vater von deiner Verletzung erzählen müsstest? Ich musste es von Pitney erfahren. Er ist hergekommen, hat es mir gesagt und dabei die ganze Zeit ein beschämtes Gesicht gemacht. Du hast ihn zwischen zwei Stühle gesetzt, Jessie. Das war kein Glanzstück.«
Auch das war so ein Dämon, der mit seinen Klauen nach ihr hieb. Sie musste mit ansehen, wie Pitney mit jedem Tag, den er ins Büro kam, grauer und verhärmter aussah. Pitney sorgte sich um sie. »Mir passiert schon nichts. Wusstest du, dass ich Leibwächter habe, die mir folgen? Ich stolziere durch die Stadt wie dieser römische Kaiser, auf den sie es alle abgesehen hatten. Caesar.«
»Das dürfte an der teuren Erziehung liegen, die du dank mir genossen hast.«
»So ist es. Ich hoffe, dass ich jetzt eine Zeit lang nicht überfallen werde, bei all den starken Männern, die mir überallhin folgen. Außerdem bin ich aus dem Hotel ausgezogen. Ich bin sozusagen untergetaucht.« Dass sie sich im Haus des Kapitäns versteckt hielt und er möglicherweise Cinq war, erwähnte sie nicht. Eine »taktvolle Unterschlagung«, so hatte ihre Gouvernante solche Dinge immer genannt. »Du kannst dir nicht vorstellen, wie vorsichtig ich bin.«
Sie entlockte ihm ein Lächeln. »Seit dem Tag, an dem du geboren wurdest, hast du nicht mehr auf dich aufgepasst.« Papa drückte ihre Schulter und ging zu den Vorhängen, um sie zu schließen. »Das Außenministerium war wieder da.«
»Ach.«
Das Außenministerium machte sich Sorgen um die Whitby-Beteiligungen im Osten, aus Angst, Jess Whitby könnte nicht wissen, was sie tat, und irgendeinen Franzosen oder Russen heiraten. Man hatte kräftig mit dem Zaunpfahl gewunken, und niemand hatte etwas geradeheraus gesagt, doch Tatsache war: Würde sie einen seriösen Engländer heiraten, den man für sie aussuchte, und ihm das halbe Unternehmen geben, dann käme Papa frei. Wie lange er sich danach noch seines Lebens erfreuen könnte, stand auf einem anderen Blatt. Niemand war skrupelloser als Diplomaten.
Abgesehen vom Militär.
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