Eine riskante Affäre (German Edition)
dass ihn die Franzosen liebend gern dafür erschossen hätten. Kennett schaffte es, seinen Leuten diese Art von Loyalität zu entlocken. Ein paar mögliche Handelsunternehmen im Balkan. Faszinierend, aber nichts, was sie sich ansehen musste.
Dann ein Brief auf Italienisch … Der Verkauf von Plänen und Karten ging ohne nennenswerte Schwierigkeiten vonstatten.
Pläne. Jess übersprang den Text und sah sich die Unterschrift an. Giovanni Reggio. Diesen Mann kannte sie. Ein kleiner, ungepflegter, finsterer Geselle, der nach Knoblauch roch – was auf halb Menorca zutraf – , doch dieser Mann hier war ein gerissener Verräter mit direktem Draht nach Frankreich. Auch ihr Vater hatte bereits seine Dienste in Anspruch genommen.
Ihre Ware ist sicher in Paris eingetroffen. Ihre Bezahlung erfolgt innerhalb dieser Woche durch LeClerque an Ihren amerikanischen Makler. Natürlich war ich, wie immer, die Verschwiegenheit in Person, und die Pariser Auftraggeber sind rundum zufrieden. Mein Geschäftsfreund kann die nächste Lieferung aus London kaum erwarten. Was meine wahrlich kleine Provision betrifft …
Karten und Pläne. Im Kopf rechnete sie von Francs in Pfund um. Der Verkaufspreis hatte achthundert Pfund betragen. Ein kleines Vermögen.
Jess ließ den Brief in ihren Schoß sinken, da er sich plötzlich so schwer anfühlte, dass sie ihn nicht mehr halten konnte. Dann saß sie eine ganze Weile da und starrte ihn an.
Genau dieses Gefühl hatte man, wenn das Schiff in der Nacht knirschend auf einen Felsen auflief. Schock, Hilflosigkeit und nichts als die Aussicht auf kaltes, finsteres Wasser, das von allen Seiten eindrang. Ein langer, aussichtsloser Kampf.
Sie hatte sich zwar viel Mühe bei der Suche nach diesem Beweis gegeben. Doch war es in den vergangenen paar Tagen schon beinahe zu einem Spiel geworden, sein Haus unter die Lupe zu nehmen. Sie war sich so sicher gewesen, dass sie nichts finden würde.
»Das ist kein Beweis, sondern nur Papier«, wisperte sie. Kedger stupste ihre Hand an, und sie griff nach ihm, um ihn festzuhalten. »Es ist nur Papier.«
Sie hatte geglaubt, den Kapitän zu verstehen. Nach außen war er hart. Er lief durch die Welt und betrachtete sie so, als hätte er vor, sie mit einem Messer zwischen den Zähnen zu entern. Doch tief in seinem Innern spürte sie eine Wärme, die er wie eine Sonne ausstrahlte. Cinq wäre kalt und egoistisch wie der Winter. Ganz anders als der Kapitän. Konnte sie denn so falsch liegen?
Kedger stupste erneut. Sie flüsterte: »Das könnte alles bedeuten. Es ist nicht besser als das, was sie gegen Papa in der Hand haben.«
Sie wusste, was sie zu tun hatte: Sebastian den englischen Behörden übergeben. Dann würden sie Papa freilassen. Ihr Vater würde leben und Sebastian am Galgen enden, und sie würde sich in einem Loch verkriechen und mies fühlen. Was jetzt schon der Fall war.
Die Uhr schlug. Jess packte alles ordentlich in die Kassette zurück, schloss sie ab und löschte alle Lichter bis auf die Kerze, die sie bei sich trug. Dann trat sie hinaus in die Dunkelheit.
Sein Bett stand am Fenster. Er liebte es, auf der Seite liegend beim Einschlafen über die Bäume im Hof hinweg in den Himmel zu schauen und sich dabei in den Sternen zu verlieren. Das hatte er bereits als erster Maat immer getan, wenn er die Wache übernahm. Im Halbschlaf erwischte er sich dann manchmal dabei, wie er versuchte, die Position des Hauses auf einer Karte zu verzeichnen, indem er seinen Breitengrad nach der Höhe des Nordsterns berechnete.
Mit dem Geräusch des Regens im Hintergrund war er eingeschlafen. Doch er hatte schon zu viele Nächte in Hafenschenken verbracht, um je richtig tief zu schlafen. Heimliche Schritte weckten ihn sofort.
Da war Licht im Flur. Das musste seine Gelegenheitsdiebin Jess sein, die ihrem Gewerbe nachging.
Sie hatte sich ohne das kleinste Zögern an Quents Zimmer vorbeigestohlen. Gut. Dann musste er nicht hinausgehen und seinen Cousin niederstrecken.
Jess war vor seiner Tür stehen geblieben. Nein, vor der Tür auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs. Leider war sie nicht gekommen, um das Bett mit ihm zu teilen, sondern brach in sein Arbeitszimmer ein. Das Schloss hatte sie in nur einer halben Minute geknackt. Jess, eine Frau mit einer Reihe interessanter Fähigkeiten.
Er hatte ihrem Treiben in seinem Büro gelauscht, bei dem sie kaum wahrnehmbare Geräusche verursacht hatte, bevor es plötzlich völlig still geworden war. Jess hatte sich gemütlich
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