Eine riskante Affäre (German Edition)
glücklich sehen.«
»Ich glaube nicht, dass ich bei dieser speziellen Geschichte glücklich werde.« Sie richtete den Blick auf ihn und ließ ihn eine Minute lang all das Elend in ihrem Innern erkennen. Reverend Palmer war vermutlich der einzige Mensch auf der Welt, dem sie es zeigen konnte. Und sie lebten glücklich bis an ihr Ende würde ihm nie über die Lippen kommen. Er hatte schon so einiges gesehen, der Reverend.
Mit einem Schulterzucken blickte sie weg. »Vielleicht ist er so rein wie ein über die Wiese tollendes Frühlingslamm, und ich bin nur unnötig misstrauisch. Er erzählt mir ständig, ich solle ihm vertrauen.«
»Vertraust du ihm denn?«
»Manchmal ja. Ich erwische mich dabei und versuche, es zu unterbinden.«
»Oder du könntest in dich hineinhorchen.«
»Das ist keine so gute Idee. Was ihn angeht, verhalte ich mich … töricht.« Tatsächlich aber war es jetzt zu spät, um sich einzureden, dass sie den Kapitän nicht liebte. »Ist schon lustig, nicht wahr, was die Leute wegen irgendwelcher Gedanken in einem Buch so anstellen? Nicht, dass drüben in Frankreich das Paradies wäre. Ich war da und weiß, wovon ich rede. Die Geheimpolizei zum Beispiel. Und die Bestechungsgelder steigen auch von Jahr zu Jahr. Und immer mehr Papierkram.«
»Du hast eine Art, die Dinge mit klarem Blick zu betrachten, Jess.« Aus dem Hauptraum drang raues Lachen. Der Reverend ignorierte es.
»Der Unterschied zwischen einem guten und einem bösen Menschen dürfte mir bekannt sein. Von beiden habe ich wahre Prachtexemplare gesehen.« Sie erhob sich. »Wie kommt es, dass Sie mir nie sagen, was ich zu tun habe, und am Ende befolge ich Ihren Rat doch?«
»Ich weiß nicht so recht. Welchen Ratschlag habe ich dir denn nicht erteilt?«
»Mich an die Arbeit zu machen. Beweisen, dass er nicht schuldig ist.«
»Klingt so, als erteilte ich heute gute Ratschläge. Brauchst du noch mehr davon?«
»Das sollte für eine Weile reichen. Bringen Sie mich zu Ihrer vertrauenswürdigen Eskorte, Reverend. Sie können sich nicht vorstellen, was ich heute noch alles zu erledigen habe.«
»Das hast du doch immer.« Palmer nahm die Tasse, die sie nicht angerührt hatte, hob den Kannendeckel und goss den Tee zurück. »Bist du in dem Haus und bei Bastard Kennett sicher? Nach dem wenigen, was ich von diesem Mann gesehen habe, macht er einen unerbittlichen Eindruck.«
»Das trifft es.« Eine Haarsträhne hatte sich gelöst. Jess wickelte sie sich immer wieder um den Finger.
Palmer schwenkte nachdenklich die Teekanne. »Ich habe gehört, dass er ein Mann ist, der zu seinem Wort steht. Ein Mann von Ehre.«
»So einfach ist das nicht.«
»Das habe ich bei dir auch nicht angenommen. Ich gebe dir Mrs. Trimble als Begleitung. Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde Mrs. Trimble angreifen. Sogar ich habe Angst vor ihr.«
Er öffnete Jess die Tür, und sie waren zurück im Lärm und Durcheinander des überfüllten Essraumes, wo Kinder schrien und Frauen laute Gespräche führten. Auf der Bank warf sich ein Mann hin und her und schimpfte über Ungeziefer, das auf ihm herumkrabbele. Doch er bildete es sich nur ein. Der Reverend sah sich die Szene ruhig an und wandte sich wieder Jess zu. »Möge Gott seine schützende Hand über dich halten, Jessie!«
»Ich würde sagen, dass Gott mit seinen Händen Besseres zu tun hat, wenn ich mir das hier so ansehe.«
Sie würde tun, was getan werden musste, um Papa zu befreien. Feigheit konnte sie sich nicht erlauben.
Die russische Teetasse mit den Jasminblüten darauf stand neben ihrem Ellbogen. Jedes Mal, wenn sie die Tasse absetzte, hinterließ sie einen kleinen runden Abdruck auf der Schreibunterlage. Dutzende kleiner Kreise waren zu sehen.
Das erste Mal, als sie auf ein Dach gestiegen war, hatte sie wimmernd am Schornstein geklebt und Lazarus erklärt, dass sie das nicht könne und nicht tun werde. Und da Lazarus kein Mann war, zu dem man »nein« sagte, rupfte er an ihren Fingern und trat so lange nach ihr, bis sie die Ziegelsteine losließ und die Dachpfannen hinunterrutschte, ehe sie den Giebel erwischte und zum Halten kam.
Als sie sich dann Zentimeter für Zentimeter zu ihm zurückarbeitete, verspürte sie nur noch wenig Lust, so heftig zu heulen. Und schließlich war ihre Angst Vergangenheit. Er hatte es gewusst.
Ich kann es schaffen. Sie schob sich einen Zuckerwürfel in die Wange und trank etwas Tee. Dann schrieb sie:
Ich werde mir die Liste ansehen und mich vergewissern, dass sie
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