Eine riskante Affäre (German Edition)
blätterte Seite für Seite um, bis er alles gelesen hatte. Am Ende runzelte er die Stirn. Dann schob er die Seiten zu einem Stapel zusammen, nahm die Brille ab, klappte sie zu und klopfte damit gegen den Schreibtisch. »Woher hast du das, Jess?«
»Aus einem Schreibtisch, den ich geknackt habe«, antwortete sie ohne Umschweife.
»Woher sonst? Geht mich ohnehin nichts an. Ich kann dir das unmöglich übersetzen.«
»Dann ist es nicht Arabisch?«
»Es ist nicht … gebührlich.«
»Was?« Zum ersten Mal seit längerer Zeit war sie verblüfft.
»Selbstverständlich kenne ich es. In Cambridge hatte ich das Glück, auf ein Exemplar zu stoßen. Bei Arabisch-Schülern ist es recht berühmt. Ich glaube nicht, dass es eine Übersetzung ins Englische gibt. Das hier sind Zitate aus einem antiken … Erotikhandbuch. Lyrisches, klassisches Arabisch. Im ersten Absatz geht es um den Mann, der sich einer gewissen Aktivität hingibt. Der zweite beschreibt die körperlichen Attribute einer Frau.«
»Schundliteratur.« Auf Arabisch. Jess lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und lachte. Ach, da hatte sie sich selbst ganz schön zum Narren gehalten!
Reverend Palmer wedelte drohend mit seiner Brille in ihre Richtung. »Ich habe keine Ahnung, wo du das herhast, und ich nehme nicht an, dass du es mir sagst. Aber es ist nicht die Art von Literatur, die du lesen solltest.«
»Es ist Arabisch, also werde ich es wohl kaum lesen.« Sie musste sich Tränen aus den Augen wischen, so herzhaft hatte sie gelacht. »Und ich dachte, es wäre irgendein gut gehütetes düsteres Geheimnis. Die ganze Schnüffelei, nur damit ich dieses schmutzige Buch in die Hände bekomme. O Herr, da habe ich mich selbst ausgetrickst! Passiert mir auch nicht so oft.«
»Das kann ich mir denken.« Er glättete die Ränder der Seiten. »Schon als Kind warst du sehr tüchtig. Du hast mich beeindruckt.«
»In letzter Zeit komme ich mir gar nicht mehr so tüchtig vor.« Sie sah zu, wie er die arabischen Seiten äußerst sorgfältig in den Kasten mit dem Schmierpapier legte. Jess faltete die Hände und legte sie an die Schreibtischkante. »Die Sache mit Papa … Sie ist ein Problem, das ich nicht zu lösen vermag. Ist etwas ganz anderes, als Ware in einem Frachtraum zu verstauen. Es ist heikel. Ich addiere immer wieder sieben und zweiundzwanzig, und heraus kommt die Farbe Rot.«
»Kann ich dir helfen?«
»Ganz bestimmt. Sie sind einer von etwa drei Leuten, die letzte Woche mit mir gesprochen haben, ohne mich dabei die ganze Zeit anzulügen.« Sie kaute auf einer Haarsträhne herum. »Reverend.« Da gab es noch eine Sache, die sie fragen musste, und wofür sie kaum Worte fand. »Ich bin hergekommen … Ich habe da ein Problem. Und ich wollte Sie fragen … « Dann wusste sie nicht weiter.
»Ja.« Er hatte ein paar Papiere auf dem Schreibtisch, die plötzlich unbedingt gerade ausgerichtet werden mussten und seinen Blick gefangen hielten.
»Was macht man, wenn man jemanden gern hat und befürchtet, dass er etwas wirklich Schlimmes verbrochen hat?« Sie hatte keine Ahnung, dass sie die Frage so formulieren würde, bis sie sie ausgesprochen hatte.
»Was meinst du, würdest du machen?«
Sie hatte dem Reverend nie etwas vorgaukeln können. »Ich denke, ich weiß, was zu tun ist.« Sie tauschte die Hände, sodass jetzt die linke in der rechten lag. »Es tut sehr weh. Egal, wie ich es angehe. Ich … Ich mag ihn sehr.«
Er nahm seine Brille und klappte sie auf, um sie gleich wieder zuzuklappen. »Das tut mir leid, Jessie.«
»Das ist wohl alles, was Sie dazu sagen. Nur: ›Es tut mir leid, dass es wehtut.‹ All die Jahre habe ich von Ihnen nicht ein Mal gehört, dass alles wieder in Ordnung kommt.« Ihre Lippen zuckten, brachten aber nicht das gewünschte Lächeln hervor. »Vielleicht muss ich ihn verpfeifen, Rev. Sicher können Sie sich vorstellen, wie es mir dabei geht.«
»Ich schätze, dass es dir schwerfällt. Ist er ein guter Mensch, dein Freund?«
»Eher nicht. Ungefähr so wie ich, auf die gleiche Weise. Und als ›Freunde‹ würde ich uns eigentlich nicht bezeichnen. Das wäre eher geschwindelt.« Sie fühlte sich entmutigt und dachte daran, wie ganz und gar unmöglich eine Beziehung war. »Ist nicht so wichtig. Es hätte eh nicht funktionieren können, ganz egal, was passiert wäre.«
»Dann tut es mir aufrichtig leid. Ich habe immer gehofft, dass du eines Tages einen netten Mann kennenlernst, einen, der wirklich zu dir passt. Ich würde dich gern
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