Eine riskante Affäre (German Edition)
vorbeigehumpelt. Sie unterhielten sich übers Ausdärmen, ohne etwas Derartiges zu befürworten, soweit sie das allein anhand ihrer Worte beurteilen konnte.
»Furchterregend«, so würde sie diese drei beschreiben. Und sie musste sich noch immer mit Sebastians Cousine abgeben.
»Ihre Perlen sind etwas zu auffällig.« Claudia setzte ihre Kritik einfach fort. »Sie sind … gelb. Haben Sie ein Dutzend davon gefärbt, damit sie zu Ihren Kleidern passen? Wie überaus gerissen.«
Bei Claudia musste man gewiss auf der Hut sein. »Eher rosa als gelb, aber ich verstehe, was Sie sagen wollen. Ich mache es jedoch umgekehrt und kaufe mir das Kleid passend zu den Perlen, da ich sparsam bin. Dies hier«, Jess zupfte ein bisschen an ihrem Rock, »ist couleur d’aube von DeMile Frères in Lyon. Wir haben ein paar Ballen von ihrer Seide im Laden in der Broad Street, unter dem Tresen, für spezielle Kundinnen.« Vielleicht übertrieb sie es ein wenig, aber niemand mit ebenholzschwarzen Haaren sollte so einen Blauton tragen, wie Claudia ihn anhatte. »Sie könnten ja mal vorbeikommen und einen Blick darauf werfen. Berufen Sie sich auf mich und lassen Sie sich die bronzefarbene Seide zeigen.«
»Stets die Verkäuferin«, spottete Claudia. »Das ist bewundernswert auf seine Art.«
»Das ist es, wenn ich Seide erkenne.«
Während ihrer Unterhaltung mit Claudia öffnete und schloss sich die Eingangstür. Noch mehr Historiker. Drei Frauen mit strenger Miene. Und ein Mann, der allein eintrat. Irgendwann, als er durch die Eingangshalle spazierte, erkannte Jess ihn.
Dann stand er vor ihr. Claudia trat unwillkürlich zur Seite. »Sebastian ist im Empfangsraum. Ich bringe Sie zu ihm.« Als er keine Regung zeigte, fügte sie hinzu: »Ich denke, ich sollte Sie jemandem vorstellen … «
Er sagte: »Hallo, Jess.«
»Kennen Sie Miss Whitby?«, fragte Claudia. »Vermutlich treffen Sie die unterschiedlichsten Leute … «
»Verschwinden Sie«, zischte Adrian Hawkhurst.
Der scharfe Tonfall ließ Claudia verstummen. Keiner der beiden nahm es richtig zur Kenntnis, als sie auf dem Absatz kehrtmachte und davoneilte.
Es war Hurst, ihr alter Freund. Und auch jetzt, nach allem, was er getan hatte, meldete sich ein Teil von Jess zu Wort und sagte: Er wird alles wieder in Ordnung bringen .
Er sah sie ruhig an und wartete, bis sie sich eine Antwort überlegt hatte. Seine Kleidung war … Sie wusste nicht, wie sie es nennen sollte. Nicht noch teurer – er hatte sich schon immer gut gekleidet – , sondern … eleganter. Das war es. Nun zog er sich an wie ein vornehmer Herr.
»Hurst.« Sie hielt sich am letzten Treppenpfosten fest.
»Neuerdings nenne ich mich Adrian Hawkhurst.« Er nahm den Hut ab und hielt ihn steif und ernst in Händen. Wie seltsam, ihn mit einem hohen Zylinder zu sehen! All die Zeit in St. Petersburg hatte sie ihn nie mit einem echten Hut gesehen, nur mit diesem pelzigen Zobelteil mit den Ohrenklappen. Jahrelang hatte sie das für eine einem Butler angemessene Kopfbedeckung gehalten.
»Hast du die Briefe erhalten, die ich dir geschrieben habe? Das habe ich mich immer gefragt.«
»Ja, habe ich«, antwortete er. »Während ich den Kontakt zu Josiah nicht abbrechen ließ, hielt ich es für besser, dich in Ruhe zu lassen.«
Er benahm sich noch immer, als wäre er Papas Freund. Dabei hatte er seine Hunde auf ihn gehetzt, um ihn mitten bei der Arbeit aus dem Lagerhaus zu zerren. Hurst hatte Papa in der Meeks Street eingesperrt und redete mit ihr, als wären sie Freunde. Sicher hätte er jede Menge plausibler Erklärungen dafür parat. Doch keine wäre die Spucke wert, mit der sie ausgesprochen wurde. Wäre sie eine Frau, die zum Weinen neigte, hätte sie jetzt, genau in diesem Augenblick, damit begonnen. Jess ließ sich urplötzlich auf der Treppe nieder und schlang sich die Arme eng um den Leib.
Hurst setzte sich neben sie. Sie beide, Seite an Seite. Alles war so vertraut. Ihr Magen schmerzte, als wäre ein Tier mit scharfen Krallen in ihrem Innern gefangen, mit denen es nach ihr hieb. Am liebsten hätte sie sich vorgebeugt und vor Schmerzen gestöhnt.
Nach einer ganzen Weile legte sie die Hände in den Schoß. »Erinnerst du dich daran, wie wir immer so nebeneinandersaßen, in dem Haus in St. Petersburg? Diese riesige Marmortreppe. Die Russen waren stets so begeistert von dem ganzen kalten Marmor, aber ich hab gefroren wie ein Schneider.«
»Daran erinnere ich mich.« Er legte sich den Hut aufs Knie und starrte ihn
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