Eine riskante Affäre (German Edition)
steckte in der Fracht. Sie liefen auf die Felsen auf, also warf er alles über Bord, bis zur letzten Kiste, bis zum letzten Ballen. Er sagte, es wäre ein Opfer an den Gott des Glücks. Wenn man den Gott des Glücks anruft, muss man alles zusammenkratzen, was man besitzt, und es aufgeben, sonst erlangt man seine Aufmerksamkeit nicht.« Sie sah ihm geradewegs in die Augen. »So verläuft mein Leben. Immer wieder muss ich alles über Bord werfen. Hopp und weg. Und da geht er dahin, Hurst, der Butler. Wann ist das Außenministerium zu dem Schluss gekommen, dass unsere Lager im Osten gebraucht werden? Etwa letztes Jahr, richtig? Sie waren es, die dich auf Papa angesetzt haben.«
»Jessie … «
»Muss ein Jahr her sein, dass sie beschlossen, Papa zu vernichten. Von dem Zeitpunkt an taucht der ganze Mist in unseren Kontobüchern auf.«
Er rührte sich nicht, sagte keinen Ton.
»Wirklich schade, dass du dich als Spion entpuppt hast und nicht als Butler. Ein besonders guter Spion kannst du nicht sein, wenn du ein ganzes Jahr gebraucht hast, um meinen Vater fertigzumachen. Aber du warst ein exzellenter Butler.« Sie stand auf und warf ihm das Taschentuch ins Gesicht. »Scheißkerl.« Dann lief sie zurück, um im Esszimmer unterzutauchen.
Jetzt, da sie alles losgeworden war, fühlte sie sich nicht besser. Aber das hatte sie auch nicht angenommen.
20
Sebastian wartete im Schatten einer Ritterrüstung neben dem Eingang zum Empfangssalon. Dieses Treffen hatte er eingefädelt. Sollte es zu einem Reinfall werden, würde er das zumindest beobachten.
»Sie sitzt auf dem Boden«, sagte Claudia. »Wie eine Zigeunerin.«
Er streckte die Hand aus, ehe sie sich dorthin aufmachen konnte. »Du hast nicht vor, dich zu ihnen zu gesellen. Lass sie reden.«
»Eigentlich dachte ich daran, Adrian zu retten.« Claudia stieß plötzlich ein spitzes Lachen aus. » So ein inniges kleines Tête-à-Tête. Offenbar gibt es da eine Geschichte zwischen den beiden.«
»Misch dich nicht ein.«
»Dein Freund und deine kleine Erbin. Falls du Interesse auf diesem Gebiet hast, solltest du besser einschreiten, bevor er sie sich selbst schnappt. Bist du sicher, dass ich sie nicht unterbrechen soll?«
»Ich möchte, dass du sie vollkommen in Ruhe lässt.« Claudia konnte sehr gehässig sein. Doch vor langer Zeit hatte sie einem unehelichen kleinen Rotzlöffel aus der Hafengegend beigebracht, mit Messer und Gabel zu essen. Schon damals war ihre Zunge fürchterlich spitz gewesen.
Quentin zog sich aus einem Gespräch mit zwei Angestellten des Kriegsministeriums zurück und stapfte, die Hände hinter dem Rücken gefaltet, mit dem vornehmen Gehabe eines bedeutenden Staatsmannes und ernster Miene quer durch den Salon. Er runzelte die Stirn ob des Paares, das sich gemeinsam auf der Haupttreppe niedergelassen hatte. »Das gefällt mir nicht. Was zum Teufel macht dieser Mann da bei Miss Whitby? Ich dachte, wir stünden in loco parentis , solange sie unter unserem Dach lebt. Er bringt das Mädchen doch ganz durcheinander.«
»Wofür Miss Whitby sich in gleicher Weise revanchiert«, erwiderte Claudia scharf. »Ich habe Adrian wohl noch nie so zerknirscht gesehen. Ich wusste gar nicht, dass er so sein kann.«
Dort saß er also und streckte sich wie ein Flegel neben ihr auf der Treppe aus. »Ganz gleich, wie ihr Hintergrund aussehen mag, aber für einen Gentleman ist das jedenfalls kein Verhalten.«
Dann erhob sich Jess mit grimmiger Miene und stampfte davon. Kein Erfolg, diese erste Begegnung. In einem Punkt jedoch hatte Adrian sich geirrt: Sie hatte ihm nicht ins Gesicht gespuckt .
Quentin blies die Backen auf. »Was wissen wir eigentlich über diesen Hawkhurst? Außer, dass er ein Freund von dir ist? Was natürlich einen gewissen Wert hat. Genießt überall Anerkennung. Gibt eine gute Figur ab. Aber kennt jemand seine Familie? Hat er überhaupt eine? Wenn man sich so wie ich in Regierungskreisen bewegt, hört man Geschichten … «
»Es wird erzählt, er wäre ein Romanow-Bastard. Vielleicht hat Jess ihn in Russland kennengelernt.« Claudia neigte den Kopf zur Seite. »Seht nur. Sie ist weinend davongezogen. Ach, wie rührend! Ich fühle mich dazu aufgefordert, ihr das Mitgefühl einer Frau zuteilwerden zu lassen.«
Bei der Stimmung, in der Jess gerade ist, wird sie dich in Stücke reißen. »Davon würde ich abraten.«
»Nichtsdestotrotz … «, entgegnete Claudia und verschwand.
»Auch ich werde mal mit dem Mädchen reden.« Quentin zog seine Uhr
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