Eine Rose fuer Captain Sparhawk
log?
„Zweiundzwanzig oder dreiundzwanzig, es bleibt eine große Zahl“, fuhr sie fort und reckte tapfer das Kinn. „Ich wäre wirklich sehr beeindruckt, Captain Sparhawk, wenn Ihr Erfolg sich nicht gegen mein Vaterland richten würde.“
Sie log, aber weil sie es für ihn tat, war es ihm egal. Sie hätte mit wenigen Worten den Rest seines Ansehens vor Gideon und der übrigen Mannschaft zerstören können. Doch sie hatte es nicht getan, aus welchem Grund auch immer, und er hatte das Gefühl, als wäre ihm eine schwere Last von den Schultern genommen worden.
„Cole irrt sich“, erklärte Nick. „Es sind dreiundzwanzig, die alte Brigg, mit der Sie gesegelt sind, und die Angel Lily eingeschlossen, die wir rechtmäßig gekapert haben.“
Er lächelte, in erster Linie vor Erleichterung, doch gleich darauf runzelte er die Stirn. Nachdem seine Angst vor ihrer Reaktion verflogen war, bemerkte er, dass sie noch immer dasselbe Trauerkleid wie am Vortag trug, mit schmutzigem Saum und weißen Flecken vom getrockneten Salzwasser. Wenn man bedachte, wie lang und schwer die Reise von England hierher gewesen war, noch dazu ohne eine Zofe, so war der Zustand des Kleides wohl verzeihlich. Aber anstelle eines Hutes oder einer Haube hatte sie ein schwarzes Tuch um den Kopf gebunden und tief ins Gesicht gezogen. Ihr Haar, ihr üppiges schimmerndes Haar war darunter verborgen, und sie sah ganz aus wie eine Novizin, kurz bevor sie ihr Gelübde ablegte.
Dabei hatte er sich am Morgen beim Ankleiden besondere Mühe gegeben und seinen besten Mantel ausgesucht, den aus grünem Tuch, mit der dazu passenden dunkelgrünen, hellblau bestickten Weste. Er hatte seinen Kragen und die Manschetten sorgfältiger behandelt als ein englischer Geck, alles nur, um Miss Everard zu beeindrucken. Lily war an diesem Morgen noch nicht erschienen, aber er glaubte nicht, sie so leicht losgeworden zu sein. Und wenn er daran dachte, wie süß Rose im Mondschein in seinen Armen gelegen hatte, wünschte er sich Lily schon beinahe zurück.
Verlegen fasste Rose nach dem Tuch. Erst jetzt merkte er, dass er es finster angestarrt hatte. „Ich musste mir irgendwie helfen“, rechtfertigte sie sich. „Gestern habe ich meinen letzten Hut verloren, als er über die Reling wehte, und selbst diese wenigen Stunden in der Sonne haben meine Nase verbrannt.“
„Ich wette, dass wir eine bessere Lösung finden, Miss Everard, und ihre arme Nase schützen können“, sagte er, obwohl er sich dabei wie ein Ungeheuer vorkam. Warum störte er sich an ihrem Kopfputz – nach allem, was sie für ihn getan hatte? „Wir Yankees sind für unseren Erfindungsgeist berühmt. Die Haube einer Dame dürfte daher keine Herausforderung sein. Johnny!“
Einer der Schiffsjungen rannte herbei und stellte sich vor Nick auf.
„Johnny, hol bitte den dreieckigen Strohhut aus meiner Kajüte.“ Als der Junge das Fallreep hinabsprang, lächelte Nick Rose an. Wie sehr sehnte er sich danach, ihr das Tuch herunterzureißen, damit sie wieder zu der Frau wurde, die ihn gestern Nacht so bezaubert hatte. „Eine Putzmacherin haben wir nicht, aber wenigstens ist die Krempe breit genug, um Ihr Gesicht vor der Sonne zu schützen. Wir können das Tuch hineinstopfen, damit er Ihnen passt.“
„Das ist sehr freundlich von Ihnen, Kapitän.“ Sie knickste ein wenig unbeholfen, aber besser konnte sie es nicht auf dem schwankenden Schiff. „Mr Cole hier hat mir selbst gesagt, wie großzügig Sie zu Ihren Männern sind, und jetzt haben wir den Beweis, dass Sie auch zu ihren Gefangenen gut sind. Selbst, wenn es sich dabei um eine Engländerin handelt.“
So, dachte Rose bekümmert, ich habe es wieder getan. Sie hatte wieder etwas Falsches gesagt und alles nur noch schlimmer gemacht. Lilys wegen hatte sie höflich zu Captain Sparhawk sein wollen, das hatte sie sich am vergangenen Abend vorgenommen, und sie hatte es versucht, wirklich versucht. Sie hatte ihn vor dem rothaarigen Lieutenant beschützt.
Aber sie hatte keine Erfahrung darin, wie man mit Männern sprach, und je mehr sie plapperteund die Ansichten ihres Vaters wiederholte, desto finsterer war Nicks Miene geworden. Als sie sich vorhin zu ihm umgedreht und ihn dort hatte stehen sehen in seinem eleganten grünen Mantel, der seine Augen wie Smaragde leuchten ließ, hatte ihr Herz schneller geschlagen – vor Verzweiflung und Bewunderung. Die Ironie, die darin lag, dass Lily das Bindeglied zwischen ihnen war, entging Rose nicht. Wie viel mehr hätte
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