Eine Rose fuer Captain Sparhawk
ihre kindische Entschuldigung hatte alles nur noch schlimmer gemacht. Er hatte sie freundlicher behandelt, als eine Gefangene es verdiente, und so hatte sie es ihm vergolten!
Sie schwenkte behutsam den Wein in ihrem Glas und schaute auf die bernsteinfarbene Flüssigkeit hinunter, um nicht dem Blick des Kapitäns zu begegnen. Durch das Weinglas hindurch konnte sie ihre Finger sehen, während sie das Glas drehte, verzerrt durch die Wölbung, und auf dem dritten Finger sah sie den Ring mit dem ovalen Aquamarin, der durch den Wein grünlich wirkte. Gott stehe ihr bei, brauchte sie wirklich eine weitere Erinnerung?
Rose stellte das halb volle Glas auf den Tisch. „Ich danke Ihnen für Ihre Höflichkeit, Captain Sparhawk, aber ich glaube, dass es für uns beide besser ist, wenn ich jetzt gehe.“
„Nein, Miss Everard, bleiben Sie!“, erwiderte er und stellte sich schnell zwischen sie und die Tür. Er hatte nicht die Absicht, sie jetzt schon gehen zu lassen, nicht solange so vieles ungeklärt zwischen ihnen war. „Ich bitte Sie. Bleiben Sie noch.“
Nachdem ihr so der Weg versperrt war, sah sie ihn an. In ihrer Augenhöhe war seine breite Brust, geteilt durch die Reihe von Knöpfen auf seiner Weste, jeder davon mit einer kleinen blauen Blume verziert. Vergissmeinnicht, erkannte sie. Als ob sie ihn jemals vergessen könnte.
„Bleiben Sie noch“, hatte er gesagt. Er ließ sie nicht aus den Augen, die unter den Wimpern halb verborgen waren, und obwohl Nick freundlich lächelte, lag doch eine unbehagliche Spannung zwischen ihnen, die zeigte, wie viel ihre Reaktion ihm bedeutete.
„Bitte, Miss Everard“, sagte er noch einmal leise. „Rose. Sie werden doch bleiben, um mit mir zu essen, oder?“
Er hatte sie schon einmal beim Vornamen genannt, als er sie im Mondschein in den Armen gehalten hatte, und sie wusste, dass es ihm um so schwerer anzulasten war, dass er es jetzt noch einmal tat. Es war falsch, und doch konnte sie ihn deswegen nicht tadeln. In acht scheinbar endlos langen Wochen hatte niemand Rose zu ihr gesagt, nicht seit ihr Vater sie zum Abschied geküsst hatte. Merkwürdig, als Nick sie bei ihrem Vornamen nannte, war das schmerzliche Gefühl der Einsamkeit einen Moment lang verschwunden.
„Nur zum Dinner, sonst nichts“, bemerkte er leise. „Was ist denn schon dabei?“
Sie hob den Kopf, hatte den Blick aber immer noch gesenkt und nickte. Langsam ging sie zum Fenster. Seine Freundlichkeit verwirrte sie, ja sie begann sich sogar nach etwas zu sehnen, das sie niemals bekommen konnte.
Zieh dich zurück dachte sie. Du darfst nicht die Dummheit begehen und mehr sehen, vermuten und glauben, als wirklich da ist, nur weil du es gern hättest.
„Es ist wirklich schade, dass Sie nicht noch mein Pianoforte aus dem Laderaum der Commerce hierher gebracht haben, Captain Sparhawk“, meinte Rose gezwungen fröhlich. Sie hatte keinen Blick für die Aussicht, die sich ihr bot, presste die Handfläche auf die kühle Scheibe und hinterließ einen Abdruck ihrer heißen Haut auf dem Glas. „Ich hätte für Sie spielen können, um Ihnen die Zeit zu vertreiben. Man sagte mir, ich würde ganz gut spielen. Obwohl ich natürlich bei Weitem nicht so begabt bin, wie Lily es war. Sie war wirklich talentiert, während ich mir alles hart erarbeiten musste. Aber Lily …“
„Verdammt, ich will kein Wort mehr von Ihnen über Lily hören!“
Rose fuhr herum, erschrocken von seiner Heftigkeit, und stellte fest, dass er zu ihr herangekommen war, während sie geplaudert hatte. Sie stand mit dem Rücken zum Fenster, sodass sie diesmal nicht fliehen konnte.
„Nichts mehr über Lily, haben Sie verstanden? Kein einziges Wort!“ Heftig schlug er mit der Hand durch die Luft, so nahe an ihrem Gesicht vorbei, dass sie die Bewegung an ihrer Wange spürte. „Sie kann Ihnen unmöglich in allem überlegen gewesen sein. Sie war Ihre Schwester, keine Heilige!“
„Aber wenn Sie Lily gekannt hätten, würden Sie mich verstehen“, widersprach Rose.
„Nein, das bezweifle ich“, erwiderte er. „Ich möchte, dass Sie mir ein Beispiel geben, obwohl es gewiss viele Beispiele gibt für Dinge, in denen Sie besser waren als Lily.“
Rose schüttelte den Kopf. Unter seinem herausfordernden Blick konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Aber warum sollte das auch für ihn so wichtig sein? Oh ja, es gab vieles, das sie besser gemacht hatte als Lily: Sie kannte die Frauen und Kinder der Männer, die auf der Werftihres Vaters arbeiteten und
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