Eine Rose fuer Captain Sparhawk
genügt, dass sie eine erstklassige Damespielerin sind. Irgendwie scheint ihre Schwester immer noch besser zu sein.“
„Aber ich hätte Sie gewinnen lassen sollen“, sagte Rose leise. „Lily hätte das getan.“
„Und warum zum Teufel hätten Sie das machen sollen?“ Er legte Messer und Gabel klirrend aus der Hand. „Ich gewinne gern, und ich hasse es, zu verlieren. Dabei ist es egal, ob ich mein Leben eines anderen Schiffes wegen aufs Spiel setze, oder ob ich mich mit einer verflixten Damepartie abmühe. Warum sollten Sie anders empfinden?“
„Weil ich …“
„Nein, Rose, diesmal lassen Sie mich ausreden“, unterbrach er sie mit fester Stimme. Er stützte die Ellenbogen auf den Tisch und beugte sich zu ihr hinüber. „Sie haben angefangen, Sie selbst zu sein und sich aus Lilys Schatten zu lösen. Jetzt müssen Sie weitermachen. Wie schwer das ist, weiß ich aus eigener Erfahrung. Ich hatte einen Vater, der in Newport wie ein Gott verehrt wurde, und mein älterer Bruder Jon stand ihm kaum nach. Das war ein Segen und gleichzeitig ein Fluch. Sparhawks müssen so sein. Das hat man mir von Kindesbeinen an eingetrichtert.“
Mit schmerzlicher Deutlichkeit erinnerte Nick sich an den Augenblick, als ihm sein Platz in der Familie zum ersten Mal bewusst wurde. Er war vier Jahre alt, was bedeutete, dass Jon sechs gewesen war. Es war ein besonderes Ereignis, als ihr Vater sie auf die Werft mitnahm, wo er sich eines seiner Schiffe ansehen wollte.
Jon und Nick hatten den Tag damit verbracht, auf dem halb fertigen Schiff herumzuklettern. Sie waren auf Balken balanciert, hatten mit Stöcken in dem noch nicht erstarrten Teer herumgestochert und einander Befehle zugerufen, um dem Nachhall ihrer Stimmen in dem großen leeren Rumpf zu lauschen. Noch immer erinnerte er sich an den Geruch der frisch geschliffenen Kiefern und Eichen und an den Klang der Hammerschläge auf den eisernen Trossen. Er erinnerte sich sogar noch an die neuen roten Handschuhe, die er mit Teer beschmutzt hatte.
„Jon?“, rief sein Vater. „Wo bist du, Junge?“
Blitzschnell war Jon aufs Achterdeck zu ihrem Vater gerannt, und Nick, der nicht wusste, wie er sich verhalten sollte, war ihm atemlos gefolgt. Sein Vater stand am Steuer, und seine Größe und die gebieterische Gestalt erhoben ihn über die Gruppe von Männern, als er sich lächelnd herunterbeugte und Jon bei sich willkommen hieß.
„Hier ist schon der nächste Sparhawk-Kapitän“, sagte er und hob Jon hoch, damit er die geschnitzten Speichen des Schiffsruders anfassen konnte. „Denkt an meine Worte: Jon wird ein eigenes Schiff befehligen, noch ehe er seinen siebzehnten Geburtstag gefeiert hat!“
Die Männer lachten, jubelten und klopften Jon auf die Schultern, während Nick zurückblieb, verloren zwischen den Kniehosen und schmutzbedeckten Stiefeln. Schließlich waren die Männer davongegangen und hatten sich wieder ihren Aufgaben zugewandt. Jetzt erst gelang es Nick, nach vorn zu kommen. Jon trug Vaters Filzhut mit der Goldborte und lachte stolz, als er ihn zurückschob. Die Augen seines Vaters leuchteten genauso wie die von Jon, und der Wind zerzauste sein schwarzes Haar, als er seine Hand auf die Schultern seines ältesten Sohnes legte.
„Schau mich an, Nick“, sagte Jon wichtigtuerisch. „Vater meint, wenn ich Kapitän bin, werde ich ein Schiff haben, das noch viel schöner ist als dieses hier!“
„Und das stimmt auch, Junge!“ Der Blick seines Vaters war noch immer voller Wärme, als er Jon ansah. Dann seufzte er und wandte sich an Nick.
„Nun, da bist du ja“, sagte sein Vater. Er lächelte noch immer, doch die besondere Wärme, mit der er Jon angeschaut hatte, war aus seinem Blick verschwunden, und Nick spürte den Unterschied mit schmerzlicher Deutlichkeit. „Ich vermute, dass du es auch versuchen willst?“
Aber Nick hatte nur den Kopf geschüttelt und sich gesagt, dass er zu alt sei, um zu weinen, doch später, als es dunkel war und er allein in seinem Bett lag, hatte er sich den Schmerz von der Seele geweint.
„Ich kann nicht glauben, dass Sie irgendwann einmal an zweiter Stelle gestanden haben“, erklärte Rose.
„Glauben Sie mir, so war es. Wahrscheinlich ist es noch immer so, jedenfalls in den Augen meines Vaters.“ Nick schenkte ihnen beiden Wein nach und fragte sich, warum er ihr das erzählte.Er konnte sich nicht erinnern, jemals mit einem Menschen darüber gesprochen zu haben, nicht einmal mit Gideon.
Es musste an Lily liegen, dass er
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