Eine Rose fuer Captain Sparhawk
schniefte und wischte sich die Nase mit der Manschette seines Ginganhemdes ab. „Ich nehme an, dass der Kapitän andere Pläne zu seiner Zerstreuung gefasst hat, als sich mit vornehmen Gefangenen wie Ihnen abzugeben. Bei Anbruch der Dunkelheit werden wir wieder Charles Town erreichen, um uns neu herzurichten und unsere Männer von der Liberty an Bord zu nehmen.“
„Charles Town?“, fragte Rose. Sie sah den Jungen aus großen Augen überrascht an. Charles Town bedeutete wie überhaupt jede Stadt Festland anstelle des endlosen Ozeans und eine Möglichkeit, sich zu befreien, was sie nicht zu hoffen gewagt hatte. Sie war in den vergangenen Wochen lange genug allein gewesen, um einen Fluchtplan zu schmieden für den Fall, dass sich eine Gelegenheit bot, und jetzt, da diese Gelegenheit eintrat, fiel ihr jede sorgsam bedachte Einzelheit ein. „Das lieg in einer der amerikanischen Kolonien, nicht wahr?“
„In einem der freien amerikanischen Staaten. In South Carolina, um genau zu sein, Miss.“ Er zwängte sich an ihr vorbei zur Tür. „Wie ich schon sagte, Miss, ich komme dann wieder, um das Tablett zu holen.“
„Warte!“ Rose ging zu ihrer Koje und schob die Hand unter das Kopfkissen. Sie zog einen kleinen gestrickten Beutel hervor, in dem Münzen klirrten. „Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Johnny. Eigentlich sind es zwei. Und natürlich werde ich mich erkenntlich zeigen, wenn du mir behilflich bist.“
Er blieb an der Tür stehen. Das Klirren der Münzen hatte seine Aufmerksamkeit erregt. „Was für einen Gefallen?“, fragte er misstrauisch. „Ich werde nichts tun, was verräterisch oder feige gegenüber Captain Sparhawk ist, nicht für alles Gold der Welt.“
„Ich schwöre dir, dass das, was ich möchte, keines von beidem ist.“ Sie hielt den Beutel in beiden Händen und hoffte, dass sie die richtigen Worte fand, um den Jungen zu überzeugen. „Ich möchte gern einen deiner Anzüge kaufen – Hose, Hemd, Mantel und Hut.“
Der Junge schniefte verächtlich. „Ich habe nur die beiden, die meine Mama mir mitgegeben hat.“
„Ich werde dir so viel dafür zahlen, dass du dir in Charles Town fünf neue Hemden kaufen kannst und dazu noch einen neue Schute für deine Mutter, wenn du willst.“
An dem Ausdruck in seinem sommersprossigen Gesicht erkannte sie, dass er in Versuchung war, sosehr er sich auch bemühte, so abwartend zu wirken wie ein erwachsener Mann.
„Was wäre der zweite Gefallen?“
Rose fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, damit sie nicht lächelte. „Du musst nur Mr Hobb bitten, zu mir zu kommen, damit ich ihn sprechen kann. Er ist neu in eurer Mannschaft, falls du …“
„Der Engländer, der ständig redet. Den kenne ich.“ Johnny rieb sich wieder die Nase. „Hecken Sie mit ihm zusammen etwas aus? Wenn ja, dann will ich damit nichts zu tun haben.“
„Ich schwöre, dass ich deinen Namen keiner Menschenseele gegenüber erwähnen werde“, versprach sie und bewegte den Beutel ein wenig, sodass die Münzen wieder klirrten. „Und falls jemand deine Sachen bei mir findet, kannst du ja sagen, ich hätte sie gestohlen.“
„Das würde man ganz bestimmt nicht glauben.“ Aber er streckte die Hand nach dem Geld aus, und endlich wagte Rose zu lächeln.
Es war nach dem Abendessen und beinahe schon dunkel, als Hobb an der Tür klopfte. Rose öffnete sofort und ließ ihn hereinschlüpfen.
„Sind Sie sicher, Rose?“, fragte er. Sein längliches, ernstes Gesicht wirkte besorgt. „Captain Sparhawk hat die Absicht, Sie freizulassen, sobald Ihr Vater das Lösegeld bezahlt hat. Aber wenn der Kapitän Sie bei einem Fluchtversuch ertappt, nun, wer weiß, was ein Mann mit einem so leicht erregbaren Temperament dann tun wird?“
„Ich habe nicht die Absicht, das herauszufinden.“ Unruhig zog Rose Johnnys gestrickte Mütze tiefer in der Hoffnung, dass der aufgerollte Rand ihr Gesicht vor den Blicken der übrigen Mannschaftsmitglieder in der Dunkelheit schützen würde. „Und Sie müssen mich auch nicht beschützen. Wenn jemand den Verdacht hegt, dass Sie mir geholfen haben, müssen Sie alles ableugnen. Ich möchte nicht, dass sich Captain Sparhawks ‚leicht erregbares Temperament’ wegen meiner Sünden gegen Sie richtet.“
„Ach, Miss, eine Sünde ist das nicht“, sagte Hobb und wischte sich nervös die Hände an seiner weiten Hose ab. „Welche Vorwürfe sollte ich einer Braut machen, die bei ihrem Bräutigam sein möchte?“
Rose errötete, nicht aus
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