Eine Rose fuer Captain Sparhawk
ihre Ablehnung ins Gesicht sagt.“
Nick holte tief Luft und bemühte sich, seinen Zorn zu beherrschen. „Ich bin der Kapitän, Lily. Der Kapitän, erinnern Sie sich? Fast zweihundert Männer dienen unter mir. Ich kann nicht, und ich will nicht unter Deck gehen und wie ein Kater vor der Tür ihrer Schwester sitzen und betteln.“
„Weil Sie nicht annähernd so ein Wüstling sind, wie Sie glauben, mein lieber Nick“, erwiderte sie. „Wenn Sie das wären, wäre es Ihnen egal, ob Sie der Kapitän sind oder nicht. Sie würden nach unten gehen, die Tür aufbrechen und sie in ihre eigene Koje werfen, egal, wie sehr sie auch schreien oder sich wehren würde. Aber ich glaube nicht, dass Sie zu so barbarischem Verhalten neigen, und ich danke Gott dafür.“
Nick musste all seine Selbstbeherrschung aufbringen, um seine Wut nicht laut herauszuschreien. Lily hatte recht, was Rose anging, der Teufel sollte sie holen, aber sie würde ihn niemals dazu bringen, das zuzugeben.
„Verdammt“, sagte er mit halberstickter Stimme. „Habe ich Sie um Ihren Rat gebeten?“
„Noch nicht, nein“, erwiderte Lily freundlich. „Aber wenn Sie ihn hören möchten, kann ich Ihnen verraten, dass Rose …“
„Rose wird das tun, was sie will.“ Nicks Augen glänzten triumphierend. Während des Gespräches war ihm ein neuer Gedanke gekommen, der ganz gewiss die Langeweile für sämtliche beteiligten Parteien vertreiben würde. „Sie haben keinen Einfluss auf Rose und auch nicht auf das, was sie tut. Haben Sie das etwa vergessen?“
„Mir schien es eher so, als hätten Sie es vergessen, Captain Sparhawk.“
Lily lächelte, und mit einer eleganten Bewegung ihres Armes erhob sie sich in die Luft, um in seine Nähe zu schweben. Derselbe Wind, der die Segel des Schiffes blähte, fing sich in ihren Flügeln. „Aber Sie sollten meine kleine Schwester nicht unterschätzen, Nick. Sie braucht meine Hilfe nicht, um es mit Ihnen aufzunehmen.“
Nick beschattete die Augen mit der flachen Hand und sah zu ihr auf. „Seien Sie da nicht zu sicher, Lily. Ich sagte Ihnen schon früher, dass ich spiele, um zu gewinnen.“
„Ohne Zweifel ist das auch die Art, wie Sie Dame spielen.“ Sie lächelte noch strahlend, als ihrUmriss schwächer wurde. „Beim nächsten Mal wird sie Ihnen hoffentlich auch das letzte Hemd nehmen.“
„Da bin ich, Miss Everard.“ Vorsichtig stellte Johnny das Tablett mit der verbeulten Teekanne auf den Koffer, der Rose in ihrer engen Kabine als Tisch diente. „Ich komme nachher wieder, um das Tablett abzuholen, wenn Sie fertig sind.“
Rose nickte. Sie stand an der Tür, die Hand noch immer am Riegel, genau wie in den vergangenen siebzehn Tagen. Sie hatte in ihrer selbst gewählten Einsamkeit schnell gelernt, dass Johnny niemals mehr sagen würde, als unbedingt nötig war, und so versuchte sie nicht einmal mehr, ein Gespräch mit ihm zu beginnen. Aber an diesem Morgen konnte sie sich nicht zurückhalten.
„Gibt es keinen Brief?“, fragte sie seltsam enttäuscht. „Hat Captain Sparhawk dir heute keinen mitgegeben?“
„Nein, Miss Everard, hat er nicht.“ Der Junge sah sie mit unverhohlener Missbilligung an. „Ich hatte nicht erwartet, dass Sie das interessiert, nachdem Sie bisher nicht dazu zu bewegen waren, die anderen zu lesen. Sie sind wohl eine zu feine Lady, scheint mir, für Männer wie wir und der Kapitän.“
„Das hat damit nichts zu tun“, sagte Rose schnell. „Die Schuld liegt bei mir, nicht bei Captain Sparhawk. Ich habe mich falsch verhalten, nicht er, und deswegen kann ich seine Briefe nicht annehmen.“
Himmel, wie sollte sie dem Jungen erklären, was sie getan hatte, wenn sie es doch kaum selbst verstand? Sie hatte nur die Wünsche ihres Vaters befolgen, sich loyal verhalten und auch an Lilys Stelle Lord Eliot heiraten wollen, wie sie es versprochen hatte. Sie wusste, dass es richtig gewesen war, Nicks – nein, Captain Sparhawks – Briefe nicht entgegenzunehmen, den letzten Rest an Ehre zu bewahren und sich selbst für ihre Schwäche zu strafen, indem sie hier allein in ihrer Kabine blieb.
Doch selbst diese Strafe hatte sich in eine bittersüße Qual verwandelt, denn es verging keine Minute, in der sie sich nicht daran erinnerte, wie er sie geküsst hatte.
Sie seufzte tief, als sie sich zwang, ihre Gedanken wieder auf den Jungen zu konzentrieren. „Ich weiß, es erscheint unverständlich“, sagte sie bekümmert, aber so muss es sein zwischen Captain Sparhawk und mir.“
Der Junge
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