Eine Rose fuer Captain Sparhawk
dass sie beinahe glaubte, ihre Schwester sei wieder hier, und in einem Anflug von plötzlichem Zweifel fragte Rose sich, ob sie wirklich einen Fluchtversuch unternehmen sollte.
Vielleicht versuchte Lily auf ihre Weise, ihr mitzuteilen, dass sie auf der Angel Lily bleiben sollte. Mit wild klopfendem Herzen blieb Rose an der Luke zurück, hin- und hergerissen zwischen dem Wunsch zu fliehen und dem zu bleiben.
„Komm schon, Junge, und trödle nicht“, mahnte Hobb mit lauter Stimme, denn die anderen Männer hatten sich bereits versammelt. Er packte Rose an der Schulter und schob sie sanft vorwärts. „Der Kapitän hat gesagt, dass wir nicht mehr als zwei Nächte hier sein werden, und ich habe nicht die Absicht, sie damit zu verbringen, hier auf dich zu warten.“
Rose hatte einen flüchtigen Eindruck vom Hafen, von den großen schwarzen Umrissen der anderen Schiffe, die um sie her vertäut waren. Es war das erste Mal, dass sie Land sah, seit sie vor Monaten aus Portsmouth fortgesegelt waren. Hier und da entdeckte sie die Lichter der Laternen unter dem sternenklaren Himmel.
Im nächsten Moment schob Hobb sie herum und über Bord. Er drückte ihre Finger um die Taue, als es an ihr war, in das wartende Ruderboot hinabzuklettern. Sie bewegte sich ungeschickt in den Schuhen und versuchte, mit den Zehen einen Halt auf der hin und her pendelnden Leiter zu finden. Ihre Fingerknöchel traten weiß hervor, während sie sich festklammerte. Sie hatte bisher immer einen Bootsmannssitz benutzt oder war über eine Planke eingestiegen, aber nie zuvor hatte sie so wie jetzt an einer Leiter gehangen. Der Mantel mit seinem schweren Innenfutter aus Gold schlug gegen ihren Rücken, als das Schiff schaukelte. Wenn sie jetzt ins Wasser fallen würde, würde sie wie ein Stein versinken. Als die Angst sie zu überwältigen drohte, schloss sie die Augen.
Lily, oh, Lily, wenn du irgendwo hier bist, hilf mir jetzt bitte!
„Na, also, Junge, kein Grund zur Panik“, sagte Nick und half dem verängstigten Jungen von derletzten Sprosse der Leiter herab. „Du hast es gut gemacht.“
Der Junge fiel mit einem erstaunlich lauten Geräusch ins Boot, und die Männer an den Rudern starrten ihn verwundert an. Nick lächelte zwar, doch auch ihm tat der Junge leid, als er jetzt zum Bug hastete und sich neben Hobb setzte. Vielleicht war er auch ein Überläufer, so wie Hobb, denn Nick erkannte in ihm keinen der Jungen aus Rhode Island. Kein Wunder, dass er sich so unbeholfen bewegte. Wahrscheinlich war dies das erste Mal für ihn, denn die Angel Lily war ja auf ihrer Jungfernfahrt.
Aber als Nick selbst sich auf der Rückbank des Bootes niederließ, hatte er den Jungen bald vergessen und hing seinen eigenen Gedanken nach. Er hatte sich den Tag über um seine Geschäfte in Charles Town gekümmert und mit seinen Bankiers, Anwälten und den Beamten des Prisengerichtes gesprochen. Insgesamt waren sie nicht mehr und nicht weniger korrupt als alle anderen, und mit ein paar kleinen Geschenken war es Nick gelungen, die Angel Lily auf seinen Namen überschreiben zu lassen. Die Commerce war in der vergangenen Woche verkauft worden, ohne dass jemand Einspruch erhoben hatte, und die großen Schäden an der Liberty waren, wie er auf der Werft gesehen hatte, beinahe beseitigt.
Es war ihm sogar gelungen, sein Erstaunen zu verbergen, als er erfuhr, dass Roses Habseligkeiten von der Commerce in einem Speicher untergebracht worden waren, wie er es befohlen hatte. Wie er es befohlen hatte, ha! Lily konnte vielleicht nicht direkt über ihre Schwester wachen, aber es gelang ihr durchaus, dies über ihn zu tun.
Mit einen ungeduldigen Seufzer wischte er ein paar Wasserspritzer von dem Ärmel seines grünen Mantels. Er hatte zugestimmt, an diesem Abend bei einer Spendensammlung zu erscheinen, die die Gattin des Gouverneurs veranstaltete, und der morgige Tag würde dann ihm gehören. Er konnte ihn so verbringen, wie es ihm beliebte.
Der Tag würde ihm gehören – und Rose. Er hatte ihn bis in jede Einzelheit verplant. Am Morgen wollte er ihr persönlich das Frühstück bringen und sie dann zu einer Landpartie mitnehmen. Der Packkorb der Kutsche würde mit frischem Obst, Pasteten und Wein gefüllt werden und, natürlich, mit dem feinsten Damespiel, das er in den Geschäften von Charles Town finden würde. Er wollte, dass sie lächelte, und er wollte, dass sie mit ihren großen ausdrucksvollen Augen nur ihn ansah.
Schließlich würde er sie zu seinem bevorzugten Gasthaus
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