Eine Rose im Winter
aufzusparen, der es mehr als ich verdient, Madam. Das ist wirklich das letzte, was ich von Ihnen begehre.«
»Stuart …«
»Und ich muß Sie bitten, Madam, daß Sie Vorsicht walten lassen, wenn Sie mich ansprechen. Wenn Sie diesen Namen in der Öffentlichkeit gebrauchen, könnte das bedeuten, daß Sie zu einer sehr ungelegenen Zeit zur Witwe werden.«
»Ich werde mich daran erinnern, Mylord.« Sie tat einen Schritt nach vorn und sah sich neugierig in dem Zimmer um. »War das einmal das Musikzimmer?«
»Es war der Arbeitsraum meines Vaters. Beim Cembalospiel verließ er sich auf das Talent meiner Mutter.«
»Sie scheinen das Haus wirklich gut zu kennen.«
»Und warum glauben Sie das, meine Liebe?«
»Ich bin schon tagelang hier umhergelaufen«, antwortete sie mit gewinnender Stimme, »aber ich habe kein Cembalo gefunden.«
»Trotz meiner abstoßenden Verkleidung bin ich ein normaler Mann. Während Sie in Ihren Kissen ruhen, Madam, werde ich von den Visionen einer Frau gequält, deren Herz ich besitzen möchte, und ich streife verzweifelt durch das Haus. Jede Zerstreuung, die ich finden kann, ist mir willkommen.«
»Es gibt nichts, was ich Ihnen missgönnen würde, Stuart«, sagte sie freundlich.
Er erhob sich, kam mit seinem eigenartig schleppenden Gang auf sie zu und blieb kurz vor ihr stehen. »Madam, Sie würden sich angstzitternd in Ihrem Zimmer verbergen, wüssten Sie nur, wie groß der Drang meines Verlangens ist, das ich im Zaum halte.«
Langsam hob er die Hand, um ihre Brust zu streicheln. Erienne mußte gegen ihren Wunsch zu fliehen ankämpfen, denn ihr Körper zitterte bei seiner Berührung, während er mit dem Daumen ihre Brustspitze streichelte. Erst als er den Arm um ihre schlanke Taille legte, als ob er sie an sich ziehen wollte, entfloh sie ihm. Sie entwand sich seiner Umarmung, lief fort und jagte, von einer plötzlichen Panik ergriffen, durch das Haus. In ihrem Zimmer hielt sie schließlich ein und lehnte sich, um Atem ringend und mit zitternden Knien, an die schwere Holztür, die ihr, obwohl unverschlossen, bisher noch immer Schutz gewährt hatte. Von weit unten kam das dumpfe Echo eines grausigen, spöttischen Gelächters.
Vierzehntes Kapitel
Die Nacht war kalt und kristallklar. Die Sterne funkelten hell. In der frischen Luft knirschte die dünne Schneedecke unter den Füßen. Man mußte vorsichtig auftreten, wenn einen in der Nacht niemand hören sollte.
In einem kleinen Tal hatte man fast an der Kuppe eines ansteigenden Moors ein Lager angelegt, und alles deutete darauf hin, daß die Bewohner hier länger bleiben wollten. Laternen brannten, und an die zehn Zelte waren aufgeschlagen und außen mit Stroh und trockenem Laub als zusätzlichen Schutz gegen die Kälte umgeben. An einem etwas abgelegenen Ende des Tales waren in einer niederen Höhle Pulverfässer, Holzkisten und andere Sachen verstaut. Auf der einen Seite waren Seile gespannt, mit denen mehr als ein Dutzend Pferde angepflockt standen. In der Mitte des Lagers hatten es sich einige dick vermummte Männer auf Baumstämmen sitzend am Feuer bequem gemacht.
»Der arme alte Timmy«, seufzte einer. »Dieser nächtliche Reiter hat ihn erwischt, ganz bestimmt. Hat ihn erst unten aufgespießt und dann die Kehle aufgeschlitzt.«
»Genauso«, stimmte der andere zu und nickte bedächtig mit dem Kopf, bevor er aus einer irdenen Schale einen Schluck Ale schlürfte. »Ein schwarzer Teufelssohn, der wie der Wind dahinreitet, 'ne alte Frau hat erzählt, daß sie den nächtlichen Reiter nicht weiter weg als zwei, drei Meilen von hier gesehen hat.«
»Wär' besser, wenn der Häuptling uns 'n anderes Versteck finden würde. In 'nem Gewerbe, das er betreibt, is' es nich' sehr schlau, zu lange am selb'n Platz zu bleiben, Luddie.«
»Hast recht, wir hab'n auch genug, um uns mal wieder 'n Spaß zu gönnen. Selbst wenn wir das abziehen, was Timmy für sein Flittchen weggenommen hat, könnten wir uns 'n paar schöne Tage in Carlisle machen. Weißte noch, Orton, in der Taverne auf der unteren Straße? Und dieses süße, pummelige, rothaarige Weibsbild, das da die Zimmer gemacht hat?«
Orton beobachtete sorgfältig die hohen Steinklippen, die sie umgaben, stand dann auf und vertrat sich etwas die eiskalten Füße. Er reckte den Hals, um den im tiefen Schatten liegenden Eingang zu dem versteckten Tal besser sehen zu können. »Wer hält da Wache?«
Luddie wickelte sich enger in seinen dunklen Mantel. »John Turner ist draußen. Er kommt gegen
Weitere Kostenlose Bücher