Eine Rose im Winter
sicher nicht alles, meine Liebe, und es braucht mehr als nur Schönheit, um sie glücklich zu machen.« Er hielt einen Augenblick inne und sah dann mit seinem leeren Blick Erienne an. »Und Sie, meine Liebe? Was brauchen Sie noch, damit Sie glücklich werden?«
Sie senkte verwirrt den Bück, als sich ihre Wangen röteten. Die tapferen Worte, die sie einst Aggie gegenüber ausgesprochen hatte, verbargen sich jetzt hinter einer Mauer zitternder Angst. Sie hatte damals erklärt, daß sie einen schlichten, ganz normalen Mann wollte, dem sie ihre Zuneigung zeigen konnte. Doch nun war es zwecklos, von unmöglichen Dingen zu träumen. Sie mußte sich damit bescheiden, daß sie nun wenigstens ihren Mann ansehen konnte, ohne daß ihr eine Gänsehaut über den Rücken lief.
Der Besuch von Claudia war ihr noch klar in Erinnerung, als sie einen anderen Wagen auf das Haus zukommen sah. Es war kurz vor Mittag am folgenden Tag, als Aggie atemlos in das Arbeitszimmer des alten Lords kam, wo Erienne mit viel Sorgfalt das goldverzierte Cembalo reinigte, zwei Mädchen damit beschäftigt waren, die anderen Gegenstände und Möbel des Raumes zu säubern, und auf diese Weise unter ihren fleißigen Händen das Zimmer wieder ein elegantes Aussehen gewann.
»Wenn mich meine Augen nicht täuschen, M'am, dann kommt die Mietkutsche aus Mawbry den Weg herauf. Ich hab' das Ding ein- oder zweimal gesehn, und bei meiner Seel', 's ist 'n Wunder, daß es überhaupt noch vom Fleck kommt.«
»Mawbry?« Erienne fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen und schmierte sich dabei unabsichtlich einen schwarzen Schmutzstreifen auf die Stirn. »Wer könnte uns wohl aus Mawbry sehen wollen?«
Aggie zog ihre runden Schultern hoch. »Vielleicht Ihr Vater? Hat vielleicht Sehnsucht nach Ihnen.«
»Sehnsucht nach meinem Geld«, entgegnete Erienne nachdenklich und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Ich gehe hinunter, um ihn zu empfangen.«
»Bei allem Respekt, M'am, sollt'n sie sich nicht 'n bißchen zurechtmach'n? Sie möcht'n doch nicht, daß die Leute denken, Sie gehör'n hier zum Dienstpersonal?«
Erienne sah an sich herab und fand, daß ihr Kleid und die Schürze ziemlich schmutzig waren. Sie begann ihre Schürzenbänder zu öffnen, während sie zur Tür eilte. »Haben Sie Lord Saxton gesehen?«
»Der Herr und Bundy waren schon fort, bevor ich heut' früh aufgestanden bin, und bis jetzt hat man von ihnen noch nichts geseh'n.«
»Bitte sagen Sie Lord Saxton, sobald er zurück ist, daß wir schon wieder einen Gast haben.«
Erienne war soeben die Treppe hinaufgestiegen und eilte zu ihrem Schlafzimmer, als die große Gestalt ihres Mannes aus dem Flur heraustrat, der zum Ostflügel führte. Fast schon an ihm vorbei, wurde sie sich erst seiner Gegenwart bewußt. Bevor sie stehenbleiben konnte, trat er ihr in den Weg und streckte den Arm aus. Er griff um ihre Taille und drehte sie zu sich, um sie anzusehen.
»Madam, wohin in solcher Eile?« Es machte ihm Spaß, sie aufzuziehen. »Sie präsentieren sich der Welt, als ob Sie gerade aus dem Kehricht gekrochen wären.«
»Das gleiche kann ich auch von Ihnen sagen, Mylord«, erwiderte sie, indem sie seinen Mantelärmel, an dem Schmutz und Spinnenweben hingen, abwischte. Sie sah in den halbdunklen Gang und fragte sich, wie er wohl in das Haus zurückkehren konnte, ohne daß ihn jemand gesehen hatte und zudem noch in einem Teil des Hauses war, der keine Tür nach außen hatte. »Sind Ihnen in letzter Zeit Flügel gewachsen, daß Sie unbeobachtet umherschweben können? Aggie sagte eben noch, Sie seien ausgegangen.«
»Tatsächlich? So beschäftigt, wie sie immer ist, verwundert es nicht, daß sie mich nicht zurückkommen sah. Haben Sie nach mir gesucht?«
»Wir bekommen einen Besucher … und ich … ich glaube, es ist mein Vater.«
»Ihr Vater, aha? Und glauben Sie, daß er endlich seinen Verstand wiedererlangt hat und Sie zurückhaben möchte?«
»Das bezweifle ich, Mylord. Ich meine, daß er kommt, weil seine Geldbörse zu leicht geworden ist.«
»Glauben Sie, daß ich ihm helfen sollte?«
»Ich fürchte, er würde es nur am Spieltisch verlieren oder Farrell sich dafür betrinken lassen. Wahrscheinlich sind beide ohne Geld besser dran.«
Sie nahm ihre Hand von seinem Arm und errötete, als sie merkte, wie vertraut und weiblich diese Geste wirkte. Etwas verwirrt von ihrem Verhalten trat sie zurück und entschuldigte sich verlegen. »Ich werde mich jetzt lieber schön machen.«
Lord
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