Eine Rose im Winter
Saxton folgte ihr in ihr Zimmer und lehnte mit einem Arm auf dem Fensterbrett, während sie frische Wäsche aus dem Schrank nahm. Ihr Kleid war auf dem Rücken zugehakt, und sie konnte es ohne Tessies Hilfe nicht öffnen. Sie sah sich nach ihm um und zögerte; denn ein solcher Wunsch, wie er in jeder Ehe nur allzu gerne von der Frau geäußert wird, würde ihre Verweigerung ihm nur noch schmerzlicher und ihr Verhältnis ganz unbeabsichtigt noch vertrauter machen. Er beobachtete sie aufmerksam, und sie spürte, daß er genau wußte, was in ihr vorging. Mit einem zitternden Seufzer trat sie schließlich zu ihm, nahm ihr Haar zur Seite und wandte ihm ihren Rücken zu. Es dauerte eine Weile, bis er seine Handschuhe abgelegt hatte. Sie wartete ruhig und wagte nicht, über die Schulter zu sehen, bis das Kleid offen war und er seine Handschuhe wieder angelegt hatte.
Sie trat vor und zog die Schultern zusammen, bis das Oberteil über ihre Arme herunterfiel. Dann befreite sie sich mit ein paar schnellen Bewegungen aus dem Kleid.
»Madam, haben Sie schon bemerkt, daß es schneit?« fragte er und bewunderte dabei die anmutigen Bewegungen ihrer Hüften, bevor sie hinter den Flügeltüren verschwand. »Gut möglich, daß wir heute über die Nacht einen Gast haben werden, wenn das so weitergeht.«
»Ich beeile mich«, rief sie und betrachtete seine Ankündigung als Ermahnung. Sie fuhr sich mit einem nassen Tuch schnell über das Gesicht, mit einer Bürste zwei, drei Male durch das Haar, bis sie wieder in ihrem Unterhemd erschien. In der Eile achtete sie nicht auf den Anblick, den sie bot, als sie sich vorbeugte, um ihr Kleid über die Unterröcke hochzuziehen. Das dünne Gewebe des Unterhemdes löste sich von ihrer rosigen Haut und gab den Blick auf die zart getönten Brustspitzen frei. Er verspürte ein heißes Verlangen in seinen Lenden. Sie schlüpfte in die langen Ärmel und eilte dann wieder zu ihm, ohne zu ahnen, wie sie ihn quälte. Erneut wandte sie ihm den Rücken zu, doch jetzt warf sie ihm über die Schulter ein scheues Lächeln zu.
Lord Saxton atmete schwer, als er seine Handschuhe abstreifte. Das starke Verlangen, ihr mehr als nur diesen kleinen Dienst zu erweisen, stellte seine Beherrschung auf eine schwere Probe. Als er sich der Prozedur entledigt hatte, war er überzeugt, ein Mann zu sein, der sich seine eigene Hölle schuf.
Am Arm ihres Mannes ging Erienne die Treppe hinunter. Mit jeder Stufe wuchs ihre gespannte Erregung. Die laute Stimme ihres Vaters dröhnte durch das Haus, während er sich mit Farrell unterhielt. Prahlend erzählte er, was er in London einst alles besessen hatte, und wie viele Lords damals auf seinen weisen Rat hörten.
»Ha, da hab' ich wirklich alles gehabt, und glaub mir, mein Junge, eines Tages werd' ich auch alles wiederkrieg'n. Nur 'n bißchen Geduld! Wir werd'n in so 'nem Haus wohnen wie diesem her, und Dienstboten hab'n, die uns von früh bis spät bedienen. Oh, das wird wunderbar, Farrell. Wirklich wunderbar.«
Das geräuschvolle Aufstapfen von Lord Saxtons schwerem Schuh ließ Avery herumfahren. Er sah das Paar das große Empfangszimmer betreten und musterte beide mit einem schnellen Blick. Sein Gesicht zeigte für einen Augenblick eine Anspannung aus Ärger und Neid, als er das Kleid seiner Tochter betrachtete. Obwohl es einfach und bescheiden wirkte, war doch die Machart und das Gewebe weit jenseits dessen, was er sich leisten konnte. Er empfand es als ungerecht, daß das Ding solchen Luxus genoß, ohne der Familie etwas davon abzugeben.
»Na, einen guten Tag, Erienne!« Seine Stimme klang etwas zu laut. »Dir scheint die Zeit hier nicht schlecht bekommen zu sein.«
Erienne ging mit kühler Reserviertheit an ihm vorbei und nickte Farrell kurz zu, ehe sie sich in den Stuhl gleiten ließ, den ihr Mann für sie heranzog. Avery räusperte sich und kauerte sich auf die lange Bank vor dem Kamin.
»Glaube, ihr wundert euch beide, warum ich gekommen bin. Na ja, 's gibt da ein paar Neuigkeiten, sozusagen. Schlechte Nachrichten, fürchte ich. Und da ich in Ihnen nun meinen Verwandten sehe, Mylord, hab' ich mir gedacht, daß es am besten wäre, wenn ich Sie warnte.«
»Uns warnen? Wovor?« fragte Lord Saxton.
»Ich und Allan Parker … Sie wiss'n schon, er ist der Sheriff von Mawbry … nun gut, wir war'n neulich bei Lord Talbot, und ich hab' gehört, wie die beiden sich unterhielten … ich meine Allan und Seine Lordschaft, 's war'n nur 'n paar Worte, die sie gewechselt hab'n,
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