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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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Sie füllten sich bei dem Anblick mit Mitleid. Mit lähmender Zurückhaltung goß er ein paar Schluck in das Glas. Eine zitternde Hand nahm es in Empfang. Die tiefe, zischende Stimme schien in dem großen Raum ein Echo zu finden, als Lord Saxton sprach. »Ich habe gehört, daß Sie ein ganz guter Schütze waren, als Ihr Arm noch nicht verletzt war, Mr. Fleming.«
    Mit dem Glas halb zum Mund geführt, hielt Farrell inne und starrte stumm in Richtung der Maske.
    »Haben Sie schon einmal daran gedacht, mit Ihrer linken Hand zu üben, damit sie genauso geschickt wird? Das mag sich als nicht ganz leicht herausstellen, doch wenn Sie genug Ausdauer haben, kann man lernen, eine Waffe genauso gut links zu bedienen.«
    »Der Arm ist genauso nutzlos wie der andre«, spottete Avery. »Zu nichts mehr gut, als gerade noch ein Glas an seine Lippen zu führen. Na ja, er ist eben ein Krüppel, Sie seh'n 's ja.«
    Farrell stürzte das Getränk in einem Schluck hinunter und hielt dann das Glas vor sich, als hoffe er auf eine neue Füllung. Lord Saxton übersah die stumme Bitte. Er nahm ihm das Glas aus der Hand und stellte es zur Seite.
    »Ob er ein Krüppel ist oder nicht, liegt ganz bei ihm«, bemerkte Stuart mit Überzeugung.
    Für einen Augenblick zeigte Avery Verachtung für den Gastgeber. »Genau wie bei Ihnen, Mylord.«
    »Vater!« Erienne verschlug es die Stimme.
    »Schon gut, meine Liebe«, murmelte Stuart über die Schulter zu ihr.
    »Wunderbar, nun hört euch das doch mal an! Sie ist ›meine Liebe‹«. Avery lachte spöttisch. »Habe ich nie geglaubt, daß ein Mann jemals das zu ihr sagen würde.« Er zeigte mit einem Finger auf seine Tochter, während er ein Auge auf seinen Schwiegersohn warf. »Kann Ihnen sag'n, das lose Ding hat mir 'n ganzes Fass voller Sorgen eingebracht, über die ich heut' noch nich' weg bin. Ich war ein armer, vom Schicksal geschlagener Mann. Ich verlor mein Weib. Mein Junge wurde zum Krüppel geschossen. Und dieses Mädel hier meinte immer, sie müsse 'n Mann haben, den sie bewundern könnte. Da steht sie nun und verteidigt Sie, Sir, als ob Sie der bestaussehende Mann seien, der ihr jemals seit Beginn der Schöpfung über den Weg gelaufen sei. Wenn ihr das heute schon gleichgültig ist, warum hätte sie ihre törichten Launen nicht schon lange vergessen könne, um einen gütigen Mann zu heiraten, der auf meine alten Tage etwas Mitleid mit mir gehabt hätte?« Nachdenklich schüttelte er den Kopf. »Ich werd' sie nie verstehen. Niemals!«
    Es verging ein Moment bedrückender Stille, während dem Erienne, Lord Saxton und sogar Farrell verwundert den polternden Mann anblickten. Der Lord sah dann nachdenklich auf seine Frau. Ihre blauvioletten Augen verrieten Unsicherheit, als sie zu ihm aufblickte.
    Stuart hatte das Bedürfnis, sich durch ein Räuspern Luft zu schaffen. »Eigentlich hatten wir uns über Farrells Geschicklichkeit als Schütze unterhalten.« Er fuhr fort und sah dabei den jungen Mann an. »Ich verstehe selbst etwas von Gewehren und könnte mir vorstellen, daß Sie sich gern meine Sammlung ansehen würden. Wir werden eine Kleinigkeit zu uns nehmen, und dann zeige ich Ihnen einige Stücke. Vor zehn oder zwölf Jahren gab es eine Pistole von Waters mit einer glockenförmigen Mündung und einem Bajonett, das durch eine Feder heraussprang. Das ist eine ganz großartige Waffe.«
    Farrell zeigte plötzlich mehr Interesse als für irgend etwas in den letzten zwei Monaten und erwiderte: »Glauben Sie, daß ich mit so etwas schießen könnte?«
    »Vielleicht sind Sie dazu heute noch zu schwach, doch wenn Sie Ihren Arm kräftigen, werden Sie eines Tages damit umgehen können. Natürlich braucht man dazu einen klaren Kopf und eine ruhige Hand!«
    Der Tag neigte sich dem Ende zu, und winterliche Winde wehten über die Moorlandschaft. Sie bliesen den Schnee zu bizarren Formen zusammen, die gefrorenen Wellen in einem weißen Meer glichen und keinen Wagen mehr durchließen. Als die Nacht hereinbrach, wurden überall Feuer angemacht, um im Haus Wärme zu verbreiten, und beim schwachen Licht der Öllampen wurden die Gäste auf ihre Zimmer geleitet. Als es im Hause still geworden war, warf sich Erienne einen dicken Schal über ihr Kleid und ging zu Lord Saxtons Zimmer, wo sie sich mit einem leichten Klopfen bemerkbar machte.
    »Mylord, ich bin es, Erienne«, rief sie mit leiser Stimme vor der dicken Holztür. »Darf ich hereinkommen?«
    »Einen Augenblick, meine Liebe«, antwortete er.
    Nach einer Weile

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