Eine Rose im Winter
zurückhalten, als Lord Saxton mit schwerem, langsamem Schritt an ihr vorbeiging.
»Sind Sie krank, Mylord?«
»Schließen Sie die Tür ab, Erienne«, krächzte er, und ohne ihre Frage zu beachten, ging er langsam zum Stuhl neben dem Bett.
Erienne drehte den Schlüssel um und sah trübe um sich. Sie fragte sich, was die nächsten Augenblicke bringen mochten. Das stoische Verhalten ihres Mannes verhieß nichts Gutes, und sie hegte keine Hoffnung, daß sie ihn ohne innere Erregung zum Thema ihrer Ehe befragen konnte. Zögernd ging sie zu seinem Schreibtisch, und lässig blätterte sie einige Seiten in dem Lederband um, während sie darüber nachdachte, wie sie ihn zu dieser Frage ansprechen könnte.
Lord Saxton rückte den Stuhl so zurecht, daß er seine Frau ansehen konnte. »Gießen Sie mir einen Brandy ein, meine Liebe?«
Die Bitte verblüffte sie; sie warf einen neugierigen Blick auf ihn, griff dann nach dem Stöpsel in der Kristallflasche, die mit mehreren Gläsern auf einem silbernen Tablett stand, goß etwas von dem Brandy ein, und spürte seinen Blick, als sie ihm die Erfrischung brachte. Es trat ihr völlig klar ins Bewußtsein, daß er in ihrer Gegenwart nie etwas zu sich genommen hatte, denn das hätte bedingt, daß er seine Maske abnehmen mußte. Sie war unfähig, ihr Zittern zu beherrschen und eilte zurück zum Tisch, um den Kristallstöpsel wieder auf die Karaffe zu setzen.
»Also, meine Liebe …«
Ihr Herz klopfte, als sie ihn ansah, und sie hielt den Kristallstöpsel unentschlossen in der Hand, obwohl sie sich kaum dessen bewußt war.
»… Sie behaupten, ich ließe einen anderen Mann in Ihr Bett.«
Erienne öffnete den Mund, um etwas zu sagen. Ihre erste Eingebung war, irgend etwas Dummes daherzureden, das wundersam die Schärfe aus seinem Satz, halb Behauptung, halb Frage nähme. Jedoch ihr fiel nichts Rechtes ein, und ihr trockener, ausgedörrter Hals gab keinen Laut von sich. Sie hob den Stöpsel dicht vor die Augen, drehte ihn hin und her und betrachtete ihn. Lieber das, als dem missbilligenden Blick zu begegnen.
Hinter der Maske beobachtete Lord Saxton seine Frau genau. Ihm war klar, daß der nächste Augenblick die Basis für den Rest seines Lebens bilden würde oder eine leere Hülle zurückließ. Nach dem, was jetzt kam, gab es keinen Weg mehr zurück.
»Ich denke, meine Liebe«, seine Worte schreckten sie auf, »was immer es kosten mag, jetzt ist es an der Zeit, daß Sie die Bestie von Saxton Hall kennenlernen.«
Erienne schluckte und umklammerte krampfhaft den Stöpsel mit weißen Knöcheln, als wollte sie aus dem Stück Kristall Kraft schöpfen. Als sie ihn ansah, legte Lord. Saxton seine Jacke, Weste und Halsbinde ab, und sie fragte sich, ob ihre Vorstellung ihr einen Streich spielte, denn er erschien ihr irgendwie leichter und schmaler. Dann hielt er den Absatz seines rechten Stiefels mit der Spitze des linken und zog langsam den unförmigen Schuh von seinem Fuß. Ihre Stirn runzelte sich vor Erstaunen, da sie keine Missbildung erkennen konnte. Er bewegte das Bein hin und her, ehe er aus dem anderen Stiefel schlüpfte.
Die Bewegungen, als er die Handschuhe ablegte, schienen ihn zu schmerzen. Erienne sah lange, gebräunte Hände ohne Narben, die sich zu der Maske hoben und mit sicheren Bewegungen die Laschen lösten. Sie wandte sich halb ab, ließ den Stöpsel fallen und stieß an den Tisch, als er zur anderen Seite des Lederhelms griff und ihn mit einer einzigen Bewegung abhob. Sie wagte einen kurzen Blick und atmete schwer vor Erstaunen, als sie sah, wie glasklare graugrüne Augen sie anlächelten.
»Christopher! Was …« Sie vermochte nicht, eine Frage auszusprechen, obwohl ihre Gedanken verzweifelt darum rangen.
Angestrengt erhob er sich aus seinem Sessel, »Christopher Stuart Saxton, Herr von Saxton Hall.« Seine Stimme trug nicht mehr den Hauch eines Krächzens, »Ihr Diener, meine Dame.«
»Aber … Aber wo ist …?« Allmählich begann ihr die Wahrheit zu dämmern, und sie drückte den Namen ganz kleinlaut aus, »… Stuart?«
»Ein und derselbe, Madam.« Er trat näher, und diese glasklaren Augen forderten ihre ganze Aufmerksamkeit. »Sehen Sie mich an, Erienne. Sehen Sie mich sehr genau an!« Er ragte hoch vor ihr auf, und sein schmales hartes Gesicht trug keinerlei Anzeichen von Humor. »Und sagen Sie mir noch einmal, daß ich einem anderen Mann gewähren würde, das Bett mit Ihnen zu teilen, solange ich lebe.«
Diese Enthüllung war so verschieden von
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