Eine Rose im Winter
dem, was sie angenommen hatte, daß Erienne Mühe hatte, die Tatsachen, wie sie ihr dargeboten wurden, zu begreifen, Sie wußte, die beiden waren einer, doch die Vernunft ließ sie die schwer fasslichen Enden nicht zusammenknoten und zwang die quälende Frage auf ihre Lippen: »Wie? Warum?«
»Der, von dem Sie meinten, er sei Lord Saxton, ist tot. Er war mein älterer Bruder Edmund. Vor mir trug er den Titel. Als der Ostflügel niederbrannte, wurde er in den Flammen gefangen. Sein Diener fand ihn … oder das, was von ihm übrig geblieben war … in den Ruinen. Er legte ihn in ein namenloses Grab über dem Kliff oberhalb der Meeresarme.« Die Muskeln seiner Wange zuckten und bewiesen seinen unterdrückten Zorn. »Zu jener Zeit war ich auf See, und nie erhielt ich Briefe, die von seinem Tod berichteten. Als ich nach England zurückkehrte, erfuhr ich, daß irgend jemand, ihn ermordet hatte.«
»Tot? Vor drei Jahren?« erwiderte Erienne tonlos. »Dann … als ich heiratete … waren es wirklich Sie …«
»Jawohl, Madam. Weder konnte ich auf andere Weise um Sie werben, noch konnte ich mir einen besseren Plan ausdenken, die Männer, die Feuer an das Haus gelegt hatten, in Verwirrung zu stürzen, als den älteren Bruder auferstehen zu lassen, den sie für tot hielten. Sie waren es, die mir den Vorwand zu der Maskierung gaben, als Sie sagten, eher würden Sie einen vernarbten, hinkenden Krüppel, heiraten als mich.«
Erienne sah sich um, sie war nicht fähig, ihren verschleierten Blick auf einem Gegenstand ruhen zu lassen, solange ihre Gedanken in Aufruhr rasten. Er wollte sie an sich ziehen, aber sie wich seinen Händen aus.
»Bitte … rühren Sie mich nicht an«, schluchzte sie und floh zu den Fenstern. Sie weigerte sich, ihm auch nur einen Augenaufschlag zu schenken. Schweres Schuldbewusstsein ergriff ihn, als er hinüberging und sich hinter sie stellte. Er sah, wie ihre schmalen Schultern in lautlosem Weinen zuckten; er hörte ihren angestrengten Atem, und die unterdrückten Laute sandten einen stechenden Schmerz durch sein Herz.
»Komm, meine Liebste …«
»Meine Liebste!« Erienne fuhr herum, und ihre tränenvollen Augen blitzten ihn an, als sie ihr Schluchzen erstickte. »Bin ich in Wahrheit Ihre Liebste, eine geachtete Gattin, würdig Kinder zu gebären, die einen stolzen und edlen Namen tragen? Oder bin ich nur ein zärtlicher Leckerbissen, den Sie sich zum Spaß genommen haben? Ein dummes kleines Mädchen, das eine Nacht oder zwei Ihre Begierden erfüllt? Oh, welchen Spaß müssen Sie gehabt haben, Ihr Spiel mit mir zu treiben!«
»Erienne … hören Sie …«
»Nein! Niemals wieder werde ich mir Ihre Lügen anhören!« Mit dem Handrücken fuhr sie über ihre Wangen, um die heißen Tränen fortzuwischen, und zuckte wieder zurück, als er noch einmal versuchte, ihren Arm zu ergreifen. »Was wollten Sie eigentlich? Eine Buhle, um sich die Stunden mit ihr zu vertreiben? Ja! Eine zärtliche Jungfrau, die Sie auf manche Weise unterhält, während Sie sich hin und wieder in diesen nördlichen Breiten aufhalten! Das war Ihr erster Antrag, etwa nicht?«
Sie ging auf ihn zu, ihre Hüften schwangen verlockend, während ihre Augen durch die Tränen blitzten. Sie ließ einen Finger in sein Hemd gleiten und zog es keck aus seinen Reithosen. »Was verdient eine gute Dirne in der Zeit, die sie mit Ihnen verbringt? Fünfzig Pfund? Das war es doch, was Sie für mich bezahlt haben, nicht wahr? Es ist so schwierig, sich zu erinnern. Sie gaben mit einer Hand und nahmen mit der anderen.«
Christopher zog zweifelnd eine Braue hoch; irgendwie war er über den Geist dieser Frau, die er geheiratet hatte, erstaunt. »Keine so ganz geringe Summe, Madam.«
Mutwillig verstand Erienne seine Antwort falsch. »Oh? Dann sehen Sie ein, daß ich ein guter Handel für Sie war, wenn die meisten Dirnen mehr als das verdienen?« Mit einem koketten Lächeln warf sie die Lippen auf, doch ihre Augen wurden dunkel und hitzig. »Bin ich nicht mehr wert als das, da ich jetzt ja einige von meinen Pflichten gelernt habe? Oder ist vielleicht meine Rede zu gebildet?!« Sie preßte ihren Busen an ihn und rieb herausfordernd ihre Schenkel an den seinen, als sie eine Hand unter sein Hemd gleiten ließ, um langsam seine schmale nackte Taille zu streicheln. »Bin ich Ihnen für eine Nacht ein paar Pfund mehr wert, mein Herr?«
Er sah sie so wütend an, wie es ihm nur möglich war, doch nach kurzem Überlegen kam er zu dem Schluß, es sei
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