Eine Rose im Winter
lockere Wolkenscharen rastlos umhertanzen ließ. »Eigentlich ein ganz hübscher Tag für eine Ausfahrt«, war sein Kommentar. »Obwohl ich glaube, daß wir später noch ein bißchen Regen bekommen könnten.«
Erienne biss die Zähne aufeinander, um ihr Temperament nicht mit ihr durchgehen zu lassen. »Sind Sie unterwegs, um noch mehr Frauen schöne Augen zu machen, Mr. Seton?«
»Wenn ich ehrlich sein soll, habe ich das heute morgen nicht als Vordringlichstes auf meinem Programm«, antwortete er gewandt. »Obgleich es natürlich unverzeihlich wäre, das, was sich dem Auge bietet, zu vernachlässigen.«
Das bedeutungsvolle Aufleuchten in seinen Augen war ihr nicht entgangen, und sie fragte kurz: »Und was haben Sie dann vor?«
»Warum? Ich warte auf den Wagen nach Wirkinton.«
Eriennes aufeinandergepreßte Lippen hielten eine heftige Antwort zurück. Sie war über dieses zufällige Zusammentreffen wütend, doch was sollte sie sagen, solange er nichts Unrechtes tat? Als sie an seinem Arm vorbeischaute, fiel ihr Blick auf einen braunen Hengst, der an dem Hakepfosten festgemacht war, was andeutete, daß sich seine Art zu reisen ganz kurzfristig geändert haben mußte. Da sie wußte, daß er gerade den Gastraum verlassen hatte, in dem ihr Vater war, konnte sie annehmen, daß er dort etwas erfahren hatte, was ihn dazu verleitet hatte, sich für die Fahrt in der Kutsche zu entscheiden. Sie zeigte mit der Hand auf das Tier. »Sie haben doch ein Pferd! Warum reiten Sie nicht dorthin?«
Christopher grinste mit gespielter Ernsthaftigkeit. »Wenn ich weiter fortreise, weiß ich die Vorzüge einer Kutsche ganz außerordentlich zu schätzen.«
Sie entgegnete spöttisch: »Sie haben ganz sicher gehört, wie mein Vater sagte, daß wir nach Wirkinton fahren, und jetzt haben Sie die schöne Absicht, uns den ganzen Weg auf die Nerven zu fallen.«
»Aber meine liebe Miß Fleming, ich darf Ihnen versichern, daß eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit meine Anwesenheit in Wirkinton erfordert.« Er verzichtete darauf, zu erklären, daß alles, was mit ihr zu tun hatte, für ihn von größter Wichtigkeit war. »Doch es gibt da eine ganz einfache Lösung«, meinte er verbindlich. »Nichts hält Sie davon ab, zu Hause zu bleiben, wenn Sie sich mit meiner Gesellschaft nicht abfinden können. Schließlich kann ich Sie nicht zwingen mitzukommen.«
»Wir haben auch Dinge in Wirkinton zu erledigen«, entgegnete sie kurz und hob ihr Kinn selbstbewusst.
»Ein anderer Bewerber?« fragte er liebenswürdig.
»Ach – Sie!« Ihr tiefes Erröten, das nichts mit dem Wind zu tun hatte, gab ihm eine schnelle Antwort. »Warum können Sie uns nicht in Ruhe lassen?«
»Ich habe in Ihre Familie investiert. Ich will nur das, was mir gehört, oder zumindest eine gewisse Entschädigung, wenn die Schuld nicht bezahlt wird.«
»Ach so, ja, die Schuld«, erwiderte sie mit ärgerlichem Spott. »Das Geld, um das Sie meinen Vater gebracht haben.«
»Meine Liebe, ich habe keinerlei Veranlassung, jemanden zu betrügen.«
Erienne stampfte widerwillig mit dem Fuß auf. »Mr. Seton, was ich auch immer sein mag, ich bin nicht ›Ihre Liebe‹!«
Ein leises Lachen verriet seine Freude. »Sie sind für mich das Liebste, was ich seit langer Zeit gesehen habe.« Sein Blick glitt nach unten, streifte gelassen über ihre runden Brüste und ihre schlanke Taille, bis er zu den kleinen schwarzen Schuhen gelangte, die unter ihrem Kleidersaum hervorschauten. In diesem Augenblick wünschte Erienne, daß sie die kratzende Unbequemlichkeit ihres groben Wollmantels auf sich genommen hätte, anstatt ihn auf ihrer Reisetasche geschnürt zu lassen, denn seinem aufmerksamen Blick entging keine einzige Rundung. Es erschien ihr, als wenn er sie mit den Augen ausgezogen hätte. Als er ihr wieder ins Gesicht sah, glühten ihre Wangen vor Entrüstung. »Aahh.« Er lächelte sie an. »Sie sind wirklich ein süßes, liebes Geschöpf.«
»Pflegen Sie immer Frauen mit Ihren Augen auszuziehen?« fragte sie scharf.
»Nur solche, die mir gefallen!«
Irritiert und verärgert versuchte Erienne das Thema zu wechseln oder vielmehr ihn zu ignorieren, mußte aber bald erkennen, daß das über ihre Kräfte ging. Ihn aus ihren Gedanken zu verjagen war genauso leicht, wie einen schwarzen Panther abzuschütteln, der sich einem an die Fersen geheftet hatte. Doch es gab noch einen anderen Weg, sich vor seiner unablässigen Aufmerksamkeit zu schützen. Sie nahm ihren Mantel, legte ihn sich um
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