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Eine Rose im Winter

Eine Rose im Winter

Titel: Eine Rose im Winter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen E. Woodiwiss
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ihn in der Gaststube nicht zu entdecken, bis ihr einfiel, daß Molly den Yankee ja in seinem Zimmer besuchte, um ihm zu Gefallen zu sein. Sie biss sich auf die Lippe, sah fragend zur Treppe und fürchtete, daß die Frau Farrell die gleichen Dienste erweisen mochte.
    Erienne wurde gewahr, daß Christopher sie beobachtete, und als sie zu ihm herübersah, konnte die Tiefe der Nordsee nicht kälter sein als diese Augen aus Blauviolett. Sie erwartete einen spöttischen Seitenblick, jedoch sein Lächeln trug einen Hauch von Mitleid. Der Gedanke, er könnte sie oder ein anderes Mitglied ihrer Familie bemitleiden, versetzte sie in Wut. Innerlich aufgebracht, ließ sie sich auf den Stuhl sinken, den Allan ihr zurechtrückte.
    Christopher half Claudia in den Stuhl, der ihm gegenüberstand, und Erienne wurde gereizt, als er sich neben sie setzte. Diesem Mann so nahe zu sein war für ihren früheren, den jetzigen und zweifellos zukünftigen Seelenzustand marternd widerwärtig.
    In der Art eines Herrn, der gewohnt ist zu gebieten, bestellte Christopher die Speisen und einen leichten Wein für die Damen. Er warf das Geld auf den Tisch, und Allan schien sehr zufrieden zu sein, daß er die Rechnung übernahm. Als die Schüsseln aufgetragen wurden, geruhte Claudia, ihren Hut abzulegen, dann drückte sie sorgfältig ihre Frisur zurecht, ehe sie sich mit spitzen Fingern an das Essen machte.
    Die Tür sprang auf, und Erienne erblich, als ihr Vater hereinschlenderte. Sie saß mit dem Rücken zu ihm und sah sich nicht um, als er zur Bar taumelte. Er klopfte mit einer Münze auf die Theke, und als er dann sein Seidel vor sich hatte, lehnte er sich mit dem Rücken an den Tresen, um sich in der Gaststube umzusehen, während er den ersten Schluck nahm. Aber sofort spie er das Bier wieder aus, als er Erienne und Christopher an einem Tisch sitzen sah. Schwankend stolperte er durch die Wirtsstube. Aller Augen folgten ihm. Erienne hörte ihn kommen, ihr Herz klopfte wie rasend vor Furcht. Avery kannte keine Vorsicht mehr, und nur eines war ihm noch klar: Seine Tochter erfreute sich willentlich der Aufmerksamkeit seines schlimmsten Feindes. Grob ergriff er ihren Arm und riß sie vom Stuhl, während Claudia über ihrem Weinglas genüßlich lächelte.
    »Du bösartige kleine Göre? Hinter meinem Rücken gehst du mit diesem Hundesohn von einem Yankee!« schalt Avery mit lauter Stimme, »ich schwör' dir, das is' das letzte Mal, daß du dir das rausnimmst! Ja, das schwör' ich!«
    Der Bürgermeister holte mit geballter Faust so weit aus, daß es seiner Tochter das Kinn zerschmettert hätte, und Erienne versuchte, sich so steif wie möglich zu machen, denn sie war sicher, er würde mit aller Kraft zuschlagen. Aber wieder einmal war ihr treuer Beschützer an ihrer Seite: Flammend vor Zorn schoß Christopher aus seinem Stuhl und fing Averys Handgelenk in einem Griff, der so schmerzvoll war, daß diese seine Tochter losließ.
    »Nehmen Sie ihre dreckigen Hände von mir!« brüllte der untersetzte Mann und versuchte sich freizumachen. Aber die starke breite Hand hielt ihn fest.
    Christophers Stimme war von eisiger Ruhe. »Ich bitte Sie, Ihre Handlungen zu bedenken, Bürgermeister. Ihre Tochter kam hierher mit dem Sheriff und Miß Talbot. Möchten Sie die Dame und Mr. Parker etwa mit Ihrem Imponiergehabe beleidigen?«
    Als käme er aus einem dichten Nebel, schien Avery erst jetzt die anderen beiden am Tisch wahrzunehmen. Mit rotem Gesicht stotterte er eine Entschuldigung, und Christopher lockerte seinen Griff, aber nicht ohne den taumelnden Avery heftig zurückzustoßen.
    Avery griff noch einmal nach dem Arm seiner Tochter und schob sie zur Tür. »Du gehst jetzt heim und kochst mir was Ordentliches. Ich bin gleich zu Hause, wenn ich noch einen oder zwei getrunken habe.«
    Die Tür fiel hinter ihr ins Schloß. Avery zog seine Hosen zurecht, drehte sich um, ließ seinen Blick über alle Zuschauer schweifen und ging zur Bar zurück.
    Tränen der Demütigung brannten auf ihren Wangen, als Erienne nach Hause lief. Jetzt wünschte sie nur, daß sie es sich nicht erlaubt hätte, von Claudias glimmender Drohung aufgestachelt worden zu sein. Die Schande, die sie soeben in der Gaststube erlitten hatte, würde es ihr sehr schwer machen, vor dieser eingebildeten Frau den Kopf hochzuhalten.
    Dann war da noch diese andere Sache. In ihrem Ehrgeiz, die unvergleichliche Schönheit zu sein, die jeder Mensch im Norden Englands pries, war Claudia beinahe krankhaft; und um ihr

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