Eine Rose im Winter
Unheils, das man jedoch im Augenblick nicht aufhalten kann.
Christopher trat aus dem Stall in die nebelverhangene Dunkelheit und blieb dort eine lange Weile. Er drehte seinen Kopf von der einen zur anderen Seite, damit ihm auch nicht das kleinste Geräusch entginge, und dann wurde es hörbar, ein leises, gedämpftes Geräusch aus der Ferne, wie ein schattenhafter Eindringling, der durch die Stille der Nacht sprengte oder wie langsame, schwere Hufschläge, nur viel dumpfer, so als ob …
Er stürmte in den Stall zurück und begann die Kleider am Feuer aufzunehmen. »Ziehen sie sich an. Wir müssen hier weg. Es kommen Reiter, vielleicht zwanzig oder auch mehr, und die Pferde haben die Hufe umwickelt.« Er warf ihr ihre Kleider zu. »Ich zweifle, ob das ehrliche Leute sind, die um diese Zeit in dieser Weise dahinreiten.«
Erienne zog sich in großer Eile an und war gerade dabei, die Bänder an ihrem Korsett zurechtzuziehen, als er zurückkam und ihre Hände zur Seite stieß. Schnell hatte er das Zubinden für sie erledigt.
»Ist das Mindeste, was ich für Sie tun kann, meine Dame«, wisperte sein naher Mund in ihr Ohr.
Erienne war zornig und zeigte nur ein undankbares Schweigen, während sie ihre Unterröcke und ihr Kleid in Ordnung brachte. »Sind Sie sicher, daß Sie jemanden gehört haben?«
Christopher warf ihr seinen Regenmantel über und zog sie zu dem Pferd, ohne ihr Zeit zum Zuknöpfen zu lassen. »Wenn Sie mir nicht glauben, bleiben Sie hier! Sie werden es dann selbst früh genug rausfinden.«
Erienne konnte auf diese Antwort im Augenblick nichts erwidern und trat zur Seite, als er nach dem Holzkübel griff, aus dem er das Pferd getränkt hatte. Er löschte das Feuer und häufte dann mit der Stiefelspitze Erde über den zischendenrauchenden Aschenhaufen, bis es unter einer dicken Schicht vollkommen verschwand und die Dunkelheit wieder die unumschränkte Herrschaft in dem verfallenen Stall ergriff. Er nahm die Zügel und warf Mäntel, Weste und Überrock über den Sattel. Dann führte er das Pferd aus dem Stall in ein Dickicht, das etwas weiter von der Straße entfernt war. Erienne hielt sich am Schwanz des Hengstes fest, als sie sich ihren Weg durch die pechschwarze Dunkelheit bahnten. An einer sicheren Stelle warteten sie, bis das Geräusch der gedämpften Huftritte näher kam. Eine Stimme rief etwas in die Nacht und brachte die ganze Truppe auf der Straße zum Halten, und kurz darauf bahnten sich drei Reiter durch den Busch einen Weg zu dem Stall.
»Ich sage euch, es riecht hier nach Rauch«, bemerkte einer der Männer mit gesenkter Stimme. »Und ich bin oft genug auf dieser Straße geritten, um sicher zu sein, daß er nur von diesem Stall hier kommen kann.«
»Dein Mann ist weg, Mensch, brauchste nich' noch deine lange Nase in jede Ecke und Ritze zu stecken, um 'n noch zu finden. Der ist dir durch die Lappen gegangen, ganz sicher.«
Der Reiter an der Spitze stieg ab, ging in den Stall hinein und schaute sich dann kurz um. Wieder bei seinem Pferd, schwang er sich in den Sattel. »Falls hier jemand gewesen sein sollte, die sind weg.«
»Kannste also ganz beruhigt sein, Timmy«, krähte einer der berittenen Männer. »Da is' absolut niemand, der sich aus dem Dunkeln auf dich stürzen wird.«
»Halt doch deine blöde Klappe, du Affe. Wenn ich so lange gelebt habe, wie ich lebe, dann nur, weil ich vorsichtig war, bei Gott.«
»Lass uns zu den anderen zurückreiten«, schlug der erste vor, »wir haben noch einen langen Ritt vor uns.«
Als die Männer zur Straße zurückritten, atmete Erienne tief ein: Bisher hatte sie gar nicht bemerkt, daß sie den Atem angehalten hatte. Sie war überaus dankbar, daß ihr Instinkt sie dazu veranlasst hatte, Christopher zu begleiten und nicht in dem Stall zu bleiben. Als sie darauf warteten, daß der Reitertrupp weiterzog, kam ihr zu Bewußtsein, daß sie ohne Christopher Seton hilflos diesen Männer ausgeliefert gewesen wäre.
Der Ritt nach Mawbry ging durch nassen, grauen Nebel, der über dem Moor und den steinigen Abhängen lag. Er verfing sich in den verkrüppelten, verdrehten Stümpfen alter Eichen, legte sich wie eine Decke über die Windungen des Weges, bis es aussah, als schwämmen sie in einem Meer von dicken und zerrissenen Dampfschwaden, fernab von der Wirklichkeit.
Mit dem unangenehmen Gefühl, daß dieser Mann hinter ihr saß, versuchte Erienne sich krampfhaft aufrecht zu halten, doch der Weg zog sich hin, und sie war erschöpft. Sein weiter Mantel
Weitere Kostenlose Bücher