Eine Rose im Winter
hatte, all' das machte zusammen weit über fünftausend. Er war bei der ganzen Sache verdammt gut weggekommen und konnte nichts anderes tun, als mit einem stillschweigenden Nicken seine Zustimmung zu geben.
Christopher ergriff den Beutel, zählte schnell fünfzig Pfund ab und warf die Münzen auf den Tisch. Den Rest steckte er in seinen Mantel und zeigte mit einem Finger auf das Bündel Schuldscheine. »Ich hätte niemals gedacht, daß Sie auch nur annähernd diese Summe aufbringen würden, doch wie die Sache nun steht, bin ich zufrieden. Von diesem Tage an gibt es keine Schulden mehr zwischen uns, Bürgermeister.«
»Die Pest soll über Sie kommen!« knurrte Erienne wütend nahe Christophers Schulter. Die nüchterne Art, mit der er die ganze Angelegenheit abschloss, ließ sie noch wütender auf ihn werden, als sie auf ihren Vater war. Bevor jemand sie halten konnte, wand sie ihm das Paket aus der Hand und packte einige Münzen. Sie floh mit dem Wunsch, keinen von ihnen je wieder zu sehen.
Avery wollte hinter ihr her, wurde jedoch von Christopher aufgehalten, der sich ihm wieder einmal in den Weg stellte. »Gehn Sie mir aus dem Weg!« schrie er. »Das missratene Ding hat mein Geld genommen!«
Christopher ließ sich erweichen und trat zur Seite. Während Avery davoneilte, packte Farrell Christopher am Ärmel und beschuldigte ihn mit ärgerlicher Stimme: »Sie haben das mit Absicht gemacht! ich hab's gesehen!«
Der Yankee zog seine Schultern in die Höhe und antwortete ungerührt. »Ihre Schwester hatte ein Recht, alles mitzunehmen, was sie mitgenommen hat. Ich wollte nur sichergehen, daß sie einen Vorsprung hat.«
Der junge Mann fand auf diese Erklärung keine Antwort. Er nahm den Rest der Münzen und stopfte sie in seine Manteltasche. Schließlich hob er seinen lahmen Arm und lächelte höhnisch. »Zumindest sind wir Sie jetzt los.«
Nachsichtig heftete Christopher seine Augen auf ihn, bis Farrell seinen Blick senkte. Er drängte sich rücksichtslos vorbei, stieg die Stufen herab und rannte hinter seiner Familie her.
Avery jagte mit fliegenden Rockschößen Erienne nach, um seine Münzen und Papiere wiederzubekommen. Vor dem Haus angekommen, lief ihm der Schweiß herunter, und er mußte nach Luft schnappen. Er knallte die Tür ins Schloß und fand sie vor dem Kamin. Erienne starrte in die aufzüngelnden Flammen, die sich gierig in das Paket mit Schuldscheinen fraßen.
»He, Mädchen! Was meinst du denn, was du da machst?« fuhr er sie an. »Diese Papiere sind wichtig. Sie sind der einzige Beweis, daß ich diesen Schurken bezahlt habe. Und was hast du mit dem Geld gemacht?«
»Das gehört jetzt mir«, erklärte Erienne ungerührt. »Meine Aussteuer! Mein Anteil am Brautgeld! Wirklich nur ein lächerlicher Betrag, den ich von hier mitnehme. Du würdest gut daran tun, für morgen alles zu arrangieren, denn dies wird die letzte Nacht sein, die ich in diesem Haus bin. Verstehst du das, Vater?« Sie betonte diesen Titel mit einem verächtlichen Lächeln. »Ich werde niemals zurückkommen.«
Achtes Kapitel
Man hatte Mawbrys zerbrechliche Mietkutsche genommen, um die Familienmitglieder der Flemings nach Carlisle zu bringen, wo die Trauung in einer Vorstadtkirche stattfinden sollte. Der Tag war kalt und noch jung. Ein bis ins Mark durchdringender eiskalter Wind rüttelte die Bäume wild hm und her. Im Laufe des Tages gab es nur wenig Hoffnung, daß es wärmer werden würde, die Mittagsstunde war schon vorbei, und die Luft war immer noch eisig. So eisig wie das Schweigen im Inneren des Wagens.
Das Stoßen und Schaukeln des Fahrzeugs machte Farrells Unwohlsein noch schlimmer. Er hielt seinen schmerzenden Kopf in der Hand und hatte die Augen geschlossen. Trotzdem konnte er den Schlaf nicht finden, der ihm wegen des Gelages der vergangenen Nacht entgangen war. Avery erging es nicht viel besser. Schließlich passierte es nicht alle Tage, daß ein Lord in die Familie einheiratete. Bis in die frühen Morgenstunden hatte er getrunken und mit seinem neu erworbenen Reichtum geprahlt. Nach Meinung seiner Freunde war Lord Saxton ganz außerordentlich großzügig, für so ein junges Ding so einen enorm hohen Betrag auszugeben. So hatte es wohl auch seine Ordnung, daß sie ihn heiratete. Nach ihrem Aufenthalt in Saxton Hall hatten Gerüchte und Vermutungen die Runde gemacht, und viele fragten sich, ob der Lord nicht schon mit dem Mädchen sein Vergnügen gehabt hätte. Doch selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte,
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