Eine Rose im Winter
indem er sein Jawort gab, hatte er als Ehrenmann die Sache bereinigt. Natürlich sich die Klatschmäuler der Sache an und bauschten die ganze Geschichte auf. Sie stürzten sich genüßlich auf die kleinste Kleinigkeit, die ihnen zu Ohren kam, und pressten sie bis auf den letzten süßen Tropfen an aufregender Neuigkeit aus.
Für die Dauer der Fahrt behielt Erienne ihre Gedanken für sich. Sie verspürte kein Verlangen, sich ihrem Vater gegenüber freundlich zu zeigen. Sie saß in der Ecke des Wagens in ihren Mantel eingewickelt und versuchte in der zugigen Kutsche etwas Wärme zu finden. In Vorbereitung auf den Tag hatte sie das angelegt, was zu ihrem besten Kleid geworden war, da sie kein Brautgewand besaß. Im Gegenteil, sie zog es vor, einfach zu erscheinen, da dies noch am ehesten ihrer freudlosen Stimmung entsprach. Doch war es immerhin ihr Hochzeitstag, und sie hatte sich lange gebadet und ihre Haare gebürstet, bis sie ungewöhnlich herrlich glänzten. Dies war das Mindeste, was sie tun konnte.
Der Wagen rollte knarrend durch die engen Straßen von Carlisle. Avery wies den Kutscher auf dem Bock die Richtung an, und nach kurzer Zeit hielten sie vor einer kleinen Steinkirche am Stadtrand. Bei ihrer Ankunft stand Lord Saxtons Wagen schon in der Zufahrt zur Kirche. Der Kutscher und die Lakaien trugen weiße Strümpfe und Röcke und Reithosen in tiefem Waldgrün, schwarz eingesäumt. Sie warteten neben einer Gruppe in schwarzer Seide Gewandeter. Der Wagen selbst war leer, und da sich im Hof keine Anzeichen der Anwesenheit Seiner Lordschaft entdecken ließen, nahm der Bürgermeister einfacherweise an, daß der Mann im Kircheninneren auf seine Braut warten würde.
Avery stampfte durch die Türen und fand sofort die Aufmerksamkeit von Thornton Jagger und dem ehrenwerten Pfarrer, die an einem schmalen, hohen Pult am Ende des Kirchengestühls beieinander standen. Direkt hinter dem Eingangsportal wartete ein Mann mit breiten Schultern in einem schwarzen Rock und Reithosen. Seine Füße waren gespreizt, und er hielt die Arme vor seiner Brust gekreuzt. Sonst befand sich niemand im Kirchenschiff. Die Kleidung des Mannes war mit Sicherheit weit weniger glanzvoll als die von Lord Talbot, doch Avery tröstete sich damit, daß es über die unterschiedlichen Geschmacksrichtungen des Adels nichts zu rechten gab. Er räusperte sich.
»Eh'm … Eure Lordschaft …«, begann er.
Leicht überrascht zog der so Angesprochene seine Augenbrauen in die Höhe. »Wenn Sie mit mir sprechen, mein Herr, mich nennt man Bundy. Ich bin Lord Saxtons Diener … zu seinen Diensten, mein Herr.«
Avery zeigte ein peinliches Erröten und fing an zu husten, um seine Verlegenheit zu verbergen, »ja, ja, selbstverständlich … ah … in seinen Diensten.« Er ließ seinen Blick durch den ganzen Innenraum der Kirche wandern, ohne jemanden zu finden, den er mit Lord hätte anreden können. »Wo ist Seine Lordschaft?«
»Mein Herr ist im Pfarrhaus, Sir. Er wird kommen, wenn es an der Zeit ist.«
Avery richtete sich auf und fragte sich, ob er sich beleidigt fühlen sollte. In der Stimme des Dieners hatte eine Entschiedenheit gelegen, die die Möglichkeit, daß sich der zukünftige Schwiegervater vorher mit seiner Lordschaft traf, ausschloss. Es blieb also dem Bürgermeister nichts anderes übrig, als sich zu gedulden, wenn er seine Neugier befriedigt haben wollte.
Langsam öffnete sich die Eingangstür, und Farrell trat ein. Er hielt seinen Kopf steif aufrecht, als ob er Angst hätte, er könne ihm herunterfallen. Er ließ sich in eine der hinteren Kirchenbänke sinken und schloß seine Augen. Er hoffte, daß er hier bis zum Ende der Zeremonie ungestört bleiben konnte.
Erienne begab sich in stocksteifer Haltung zur ersten Reihe. Sie wußte, daß ihr bisheriges Leben hier zu einem Ende kommen würde, und fühlte sich fast genauso wie ein Schwerverbrecher, der sich für den Gang zum Galgen vorbereitet und sich fragt, ob ihm die Schlinge die Erlösung von allen Qualen bringen wird oder ob es im Jenseits wirklich eine Hölle gibt. Mit zitternden Gliedern sank sie auf die Bank nieder und saß da in stillem Jammer, ihr Vater würde ihr ganz sicher Bescheid sagen, sobald die Zeremonie begann.
Die Abwesenheit des Bräutigams schien den Geistlichen Miller wenig zu beeindrucken. Er legte die Papiere zurecht, studierte noch einmal den Wortlaut und fixierte sein Siegel und seine Unterschrift unter das Aufgebot. Thornton Jagger schrieb schwungvoll seinen
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