Eine Sacerda auf Abwegen
Reisen sehr viele
hohe Vertreter aus den wichtigsten Familien im Ausland.
Gleichgültig!
Oh ja, genau. Sie war ihm vollkommen gleichgültig. So gleichgültig war ihm noch
nie einer gewesen. Nie. Niemals. Nie.
Wie ein trotziger kleiner Junge verschränkte Chadh die Arme vor der Brust und
wandte sich nun doch zu ihr um, sein Blick härter denn je.
Juno biss die
Zähne zusammen und erhob sich vom Bett, um einen Fuß von den anderen zu setzen,
Schrittchen für Schrittchen, bis sie ihre Stiefel erreicht hatte. Beim Bücken
wurde ihr schwindelig, so dass sie in die Knie ging und sich dann einfach auf
den Fußboden gleiten ließ, um sich mit dem Anziehen ihrer Schuhe abzumühen, die
zu ihrem Leidwesen auch noch Überkreuz mit Ösen gebunden wurden. Sehr hübsch
anzusehen aber furchtbar unpraktisch.
Aufstehen… Sie konnte es. Sie musste es. Sie war hier schließlich nicht
angekettet.
Sie griff nach dem Sakko und zog es umständlich über, als wollten ihre Glieder
ihr nicht richtig gehorchen. Sie fühlte einen leichten Anflug von
Schüttelfrost, versuchte jedoch, ihn mit konzentrierten Atemzügen im Zaum zu
halten.
Sie stand nur ein paar Schritte von dem Nachtschränkchen weg, doch der Käfer
schien meilenweit weg. Sie bekam einen Tunnelblick, an dessen Ende sie nur die
Flügel des Anhängers erkennen konnte, die abwechselnd giftgrün und blutrot
flackerten, obwohl er das natürlich im Moment gar nicht tat. Juno musste sich
schließlich am Möbel abstützen und gegen einen erneuten Schwindel angehen,
während sie den Skarabäus mit einem unguten Gefühl im Bauch musterte. Juno
griff nach der Kette und zog das Schmuckstück mit einem leisen Schaben von der
Holzplatte. Das Geräusch verursachte ihr eine Gänsehaut. Allein die
Vorstellung, dass er wirklich reagiert hatte… Juno ließ ihn in die Tasche ihrer
Jacke gleiten, wohl darauf bedacht, den Anhänger dabei nicht zu berühren.
„Es wird
nicht nötig sein, dass du mich irgendwohin bringst, Chadh. Ich weiß ja, wie
furchtbar unangenehm dir das alles ist.“, sprach sie ihn schließlich an und die
kalte Wut in ihrem Bauch befähigte sie, auf ihn zuzugehen und genauso trotzig
zu ihm aufzublicken, wie er das tat. Allerdings war sein Blick unendlich kühler
als ihrer. Das strahlende Himmelblau ihrer Augen erinnerte an unschuldige
Kinderaugen, die man sich beständig lachend vorstellte, auch wenn sie das in
Wirklichkeit selten taten.
Sie hatte ihn schließlich nicht um Hilfe gebeten und nun tat er so, als hätte
sie sich ihm aufgedrängt. Niemand hatte ihm die Pistole auf die Brust gesetzt,
sie hierher zu bringen. Er hätte sie doch einfach liegen lassen können.
Irgendein Tourist hätte sie gefunden, vielleicht sogar bevor sie dem
Blutverlust erlag.
Sie war
eigentlich viel zu schwach. Chadh hatte geglaubt, sie würde jederzeit umkippen,
doch sie überraschte ihn. Juno schaffte es sogar, ihm weitere, saftige Worte
entgegen zu schmettern. Mit einem Mal kerzengerade, als wäre der Blutverlust
ausgeglichen und ihre Kräfte zurückgekehrt, steuerte sie auf ihn zu. Chadh
musterte sie weiterhin kühl und blinzelte nicht ein einziges Mal, obwohl er
schon ganz gespannt war, was nun folgen würde. Eine Ohrfeige vielleicht? Das
taten Frauen ja besonders gern, wenn man sie gekränkt hatte, weil man nicht
zuließ, dass sie einem die Seele streichelten und die Wehwehchen fortküssten.
Mal sehen, wie hart sie zuschlagen konnte. Wenn sie bei Kräften war, hörte man
bestimmt noch Stunden später die Engel im Himmel singen. Aber leider war die
gute Juno ja nicht ganz beisammen. Chadhs Miene verfinsterte sich mehr und
mehr.
Dann sollte sie doch laufen, wenn ihr danach war. Die zwanzig Stockwerke
runter, denn der Fahrstuhl war kaputt. In einem Treppenhaus, in dem fast alle
Lampen ausgefallen waren. In ihrem Zustand, in dem sie die Treppen eher runter
poltern denn Stufe für Stufe laufen würde, weil ihr nach dreien die Puste ausgehen
und sie das Gleichgewicht verlieren würde.
Dann tu es doch! Geh endlich! Ich winke dir sicher nicht zum Abschied nach.
Juno war ihm wirklich vollkommen egal, redete er sich weiter angestachelt von
seiner inneren Wut ein. Was hatte er an ihr bloß faszinierend gefunden? Haare
waren nicht alles. Er hätte sie liegen lassen sollen. Nein, besser noch: Die
Einladung in der Bar gleich ausschlagen sollen. Sie hatte ihn gekauft. Mit
einem simplen Trick und nun beschwerte sie sich darüber, dass der Dank dafür
nicht so ausfiel wie erhofft. Er wollte nicht ihr Freund
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