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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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schlecht sitzender Mantel um
seine ausgezehrte Gestalt und ließ ihn mitleiderregend aussehen, obwohl es
immer noch brandgefährlich war. Juno sang wirklich um ihr Leben.
    Das rasende
Tier wandte sich ihr zähnefletschend zu und tapste langsam auf sie zu, wobei
seine eisig blauen Augen einfach nur so unendlich traurig dreinblickten, dass
es Juno beinahe das Herz brach. Sie lockte den Leoparden weiter und ging über
den eigenen Schmerz in ihrer Kehle hinweg, der neben seinem Leiden absolut
bedeutungslos wurde. Es war ihre Schuld, dass man ihn hier eingesperrt hatte.
Fühlte er sich jetzt verraten?
Die letzten Schritte kosteten das Tier die restliche Kraft, das von ihrem
Gesang betört und der vorherigen Anstrengung völlig ausgepowert war. Es setzte
seine krallenbewehrte Pranke auf ihren Unterschenkel und brach dann auf ihren
Beinen zusammen, so dass der riesig anmutende Schädel des Tieres auf ihrem
Schoß zu ruhen kam. Juno sang weiter, während sie zuerst über die Stirn des
Leoparden strich, der nunmehr leise knurrende Laute von sich gab, die sich in
ein tiefes Schnurren verwandelten, dann verwandelte sich Chadh zurück in seine
menschliche Form, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu haben. Junos
zauberhafter Gesang verstummte, sie sang ihrem Auserwählten noch einmal das
Lied, das sie in der Freiheitsstatue für ihn gesungen hatte. Sie wollte, dass
er in einen erholsamen Schlaf glitt, fern von allen Bedrohungen und jeglichem
Schmerz.
    Die Stimme.
Diese betörend süße Stimme. Schnaubend und hechelnd hielt der Leopard in seinem
selbstzerstörenden Tun inne, als er mit einem Mal ganz andere Klänge zu hören
bekam als das dumpfe Dröhnen in seinem Schädel, nachdem es versucht hatte, die
Tür einzurennen, was ein vollkommen sinnloses Unterfangen war. Vollkommen hin
und weg, erleichtert darüber, endlich erhört worden zu sein, obwohl er nicht
sicher war, ob er fressen oder gestreichelt werden wollte, schritt er erschöpft
und schwer atmend mit letzter Kraft auf Juno zu, wo er zusammenbrach. Die
mächtigen Tatzen auf ihrem Schoß, den Kopf in den Vorderläufen geborgen, sich
dem Streicheln und dem Singsang hingebend, mit dem sie sich liebevoll um ihn
bemühte. Er würde sie nicht fressen. Sie nicht. Sie war immer gut zu ihm
gewesen. Die Bestie ließ sich einlullen und als sie müde genug war und das
letzte bisschen Kampfeslust in ihm versiegte, trat seine menschliche Gestalt
wieder zum Vorschein. Ohnmächtig und bloß, nicht fähig sich zu rühren oder den
wunderbaren Gesang der Nuntia wahrzunehmen.
    In dem Moment
betraten die Sophora und die Patrona gemeinsam das Zimmer, gefolgt von einem
Enforcer, den Juno nicht kannte. Devena Gwénaëlle warf eine Pelzstola achtlos
zur Seite und ging neben Chadh in die Knie, um ihm tröstend über die Wange zu
streicheln.
    „Wir sollten
ihn wieder ins Bett legen. Er ist sehr schwach.“, sagte sie leise und Pia
Nicolasa sowie der fremde Mann trugen ihn mit Hilfe der Patrona zu seinem
Krankenlager, während Juno völlig entkräftet am Boden verblieb.
Gwen deckte den Jungen sorgfältig zu, als hätte sie eben ihren eigenen Sohn zu
Bett getragen. Auf ihrem Gesicht spiegelte sich ein Ausdruck tief empfundener
Zärtlichkeit für den verlorenen Sohn der Schwester wider. Sie wusste genau, was
ihm fehlte, um inneren Frieden zu finden, also zerbiss sie sich das Handgelenk,
ohne zu zögern und drückte es ihrem Neffen an den Mund. Muirgheal hatte ihn
vermutlich nie gespeist, aber da sie über genau dasselbe Blut verfügten, sogar
über denselben Paarungsduft der Schwertlilie, würde sie nun diese notwendige
Bluttaufe nachholen. Nevin stellte sich hinter sie und gab ihr Halt, indem er
ihre Schultern umfasste. Sie hatte sich ihm und Nico gedanklich erklärt, so
dass er keinen Einwand erhob.
    Juno wollte
protestieren, doch ihre Stimme gab nun endgültig ihren Geist auf und sie stieß
nur ein leises Krächzen aus und sank erneut auf den Boden, nachdem sie sich
schon halb auf die Füße gerappelt hatte.
    „Keine Sorge,
es ist nur zu seinem Besten. Devena Gwen ist seine Tante und zugleich die
Zwillingsschwester von Chadhs Mutter. Sie möchte nur die fehlende Bluttaufe
nachholen. Es wird ihm helfen, schneller zu Kräften zu kommen.“, erklärte ihr
die kleine Sophora, die ihr schließlich auf die Beine half.
    „Er… gehört
zum Haus der Fontaines?!“, flüsterte Juno heiser und starrte mit
tränenverhangenen Blick in Chadhs Richtung, obwohl sie sein Gesicht nicht mehr
erkennen konnten. Nur

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