Eine Sacerda auf Abwegen
warf den Kopf in den
Nacken und brüllte eine Antwort, während seine vier Fangzähne aus den Kiefern
schossen. Nach einem weiteren Poltern von drinnen knallte seine Stirn, auf der
sich schon Schweißperlen gebildet hatten, ebenfalls gegen das harte Metall.
„Nevin bring
Ash bitte von hier fort!“, bat Gwen, die einen Moment gebraucht hatte, um sich
von dem Schreck zu erholen. Es ging nicht darum, dass es sie überraschte, dass
Murchadh sich in einen Leoparden verwandeln konnte, sie kam sehr gut damit
zurecht, sie hatte immerhin einen Formwandler großgezogen. Aber das
unerträgliche Leid, das sie einen kurzen Moment lang empfunden hatte, als sie
den Sohn ihrer Schwester mit ihrer Hand gestreift hatte, hatte ihr einen
regelrechten Schlag versetzt. Sie hatte ihm die Gefühle jedoch nicht abnehmen
können, weil die Umwandlung viel zu schnell über ihn gekommen war.
„Ich gehe
nirgendwohin!“, antwortete Ash gepresst und unterdrückte jeden tierischen Laut
mit dem ihm eigenen eisernen Willen.
„Ich werde
dich nicht noch einmal bitten, Ashur! Ich werde bestimmt nicht so leichtsinnig
sein, das Zimmer zu betreten. Hast du vergessen, wie entfesselt du in der
ersten Zeit warst und da warst du noch ein unbeholfener Knabe. Murchadh ist
erwachsen und das Tier in ihm ebenso. Aber in deiner Nähe wird er sich kaum
beruhigen. Und du dich genauso wenig.“
Ash stieß
sich von der Tür ab und senkte das Haupt vor seiner Mutter, die völlig Recht
hatte. Er hatte sich schon lange nicht mehr so am Rand der Selbstbeherrschung
gefühlt, seitdem er mit Wendy verbunden worden war. Er hatte beinahe schon
vergessen, dass auch er nicht immer garantieren konnte, sich gegen die
Umwandlung zur Wehr zu setzen. Ein weiterer männlicher Formwandler in seiner
unmittelbaren Umgebung, der zudem seine Fähigkeiten nicht unter Kontrolle
hatte, war eine Provokation, der man nur schwer widerstehen konnte. Zudem hatte
Murchadh Interesse an Awendela gezeigt, so flüchtig es gewesen sein mochte. Der
Tiger hatte weit weniger Geduld als Ash, wenn es darum ging, seine Frau, oder
in diesem Fall sein Weibchen, zu beschützen.
„Ich bin
gleich wieder zurück, Gwen.“ Nevin tauschte mit ihr einen bedeutungsvollen
Blick. Er musste nicht laut aussprechen, dass er sich große Sorgen um sie
machte. Aber er würde ihr immer die Freiheit der Entscheidung überlassen und
ihr vertrauen.
Ash hatte Recht, ihr eine unbedachte Handlung zu unterstellen. Sie zuckte bei
jedem weiteren Aufprall gegen die Tür zusammen und wünschte, dass der arme
Junge nicht so sehr leiden müsste.
. . .
Im Zimmer
nebenan wand sich Juno plötzlich in Krämpfen und stöhnte vor Schmerzen, die
ihren Schädel zum explodieren bringen wollten. Sie war kaum durch den Zugriff
der Sophora zu bändigen, die sie brüsk zur Seite stieß, um sich aus dem Bett
fallen zu lassen. Auf Händen und Knien rang Juno nach Atem, während sie
durchzudrehen schien, weil so viele Gefühle in ihrem Inneren tobten, die ihr
nicht zu gehören schienen.
„Chadh… Oh,
Gott… Was machen sie mit ihm?!“, keuchte Juno atemlos und schluchzte auf, ohne
Tränen zu vergießen, die heute so reichlich geflossen waren, dass sie sich
vollkommen ausgetrocknet fühlte.
Pia Nicolasa half ihr auf die Beine, doch sie wehrte sich dagegen, erneut in
ihr Bett gebracht zu werden. Die Infusionsnadel hatte sie sich schon aus dem
Arm gerissen, sie wollte nur noch nach Chadh sehen, der große Qualen erdulden
musste.
„Bringt mich zu ihm! SOFORT! Ich kann das nicht aushalten!“, schrie Juno, die
völlig außer sich schien.
Nico gab ihr schließlich nach, weil sie sich nur zu gut daran erinnerte, wie
sie sich gefühlt hatte, als man Damon mit der Sichel niedergestochen hatte.
Außerdem wollte sie selbst nachsehen, ob sie vielleicht medizinische Hilfe
leisten konnte.
Beide Frauen
hielten überrascht inne, als sie die Patrona des Hauses Fontanus im Flur vor
der Tür des Krankenzimmers stehen sahen, zu dem sie unterwegs gewesen waren.
Juno hielt sich mit keiner Begrüßung auf, sie nutzte den Moment der Ablenkung
und materialisierte sich in das Zimmer, in dem Chadh sich in seiner
umgewandelten Form aufhielt. Sie ließ sich in der hintersten Ecke des Raumes
auf den Boden gleiten und stimmte den Gesang der Priesterinnen ein, mit dem sie
das Tier besänftigen wollte. Es würde sich sonst nur selbst wehtun, obwohl es
doch kaum genug Kraft dafür hatte. Eigentlich sollte er ein wunderschöner
Anblick sein, aber das Fell schlotterte wie ein
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