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Eine Sacerda auf Abwegen

Eine Sacerda auf Abwegen

Titel: Eine Sacerda auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: May R. Tanner
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frenetischen Beifall für
die hervorragende Unterhaltung zukommen ließen. Dann wurde sie ohnmächtig.
Julius gab ganz langsam ihre Hand frei, leckte sich über die dunkler gewordenen
Lippen und schob sie mit einer leichten Eleganz so hin, dass sie wieder richtig
auf dem Hocker saß und kopfüber auf die Bar kippen konnte, als würde sie einen
Rausch ausschlafen. Seine Oberlippe zuckte leicht. Um es unter Kontrolle zu
bekommen, bleckte er die obere Reihe seiner Zähne. Mit geübtem Auge hätte man
gerade noch so wahrnehmen können, wie sich zwei besonders hervorstehende
Eckzähne zurückbildeten und den Anschein von Normalität wahrten, die ihnen
gerade abhanden gekommen war.
Ohne der nun bewusstlosen Frau, unter deren rechtem Handgelenk sich nun eine
Pfütze aus Blut auf dem Tresen ausbreitete, neben sich noch einmal Beachtung zu
schenken, wandte sich Julius wieder der Schüssel mit Erdnüssen zu und knabberte
weiter eine nach der anderen als hätte es den kleinen Zwischenfall eben nicht
gegeben. Es wurde Zeit, dass sein Freund Brutus endlich wieder auftauchte,
damit sie richtig auf die Jagd gehen konnten. Diese Snacks hier machten auf
Dauer niemanden satt. Schon gar nicht einen ausgewachsenen Immaculate wie ihn.
    ° ° °
Im VIP-Bereich öffneten sich die stählernen Türen eines Fahrstuhls, der in das
Apartment über dem Club führte. In die privaten, höchst hoheitlichen Gemächer
der Chefin des Hauses. Heraus kam aber nur einer. Der Mann, den sie heute
freundlich darum gebeten hatte, ihr Gast zu sein. Dieses gierige kleine
Mädchen.
Wie die anderen Gäste war auch er verkleidet. Wenngleich auch weniger kreativ
und irgendwie nachlässig. Er hatte sich nur ein gewöhnliches, weißes Bettlaken
in Römermanier um den nackten, aber wohl durchtrainierten und hochgewachsenen
Leib geschlungen. Ob nun Absicht oder eine gewisse Not dahinter steckte, konnte
man auf den ersten Blick nicht sagen. Die Turnschuhe, die er an den
unbestrumpften Füßen trug, waren jedenfalls nicht in einem 24-Stunden-Supermarkt
gekauft worden. Er fiel auf und das nicht, weil er so 08-15-mäßig gekleidet war
oder im VIP-Bereich ein eher tristeres Treiben herrschte als im Rest des
eigentlich ganz gut besuchten Clubs, sondern viel eher wegen seines
ungewöhnlich hellen Haars, dessen Weißblond sich bei der Beleuchtung kaum von
der Farbe des glänzenden Lakens an seinem Körper unterschied. Man hatte ihn oft
gefragt, welches Färbemittel er benutzte, um diesen Ton hinzubekommen, doch
hatte er jeden mit seiner Antwort enttäuschen müssen. Die Haare waren echt.
Nicht gefärbt, gebleicht oder sonst wie manipuliert. Ein bisschen wie ein
Albino. Nur dass seine Augen nicht rot waren sondern frostig blau wie der
Himmel über schneebedeckten Bergen im tiefsten Winter. Und genauso blickten sie
gerade drein. Kälter als jeder Kühlschrank. Abweisend. Mordlüstern. Ein
gefährlich attraktiver Blick, der schon so manchem zum Verhängnis geworden war.
Niemand sollte ihm zu nahe kommen. Zu viel Nähe oder ein falsch gesprochenes
Wort bekamen ihm gerade nicht. Sein Innerstes war noch zu aufgewühlt. Gefangen
im Chaos. Gefangen zwischen dem Wesen, das er jetzt gerade war und dem, was
tief in ihm drin verborgen lag und sich kurz zuvor noch gezeigt hatte. Ein
wildes, ungezähmtes Tier, das sich von nichts und niemandem beherrschen ließ.
Man öffnete ihm eine rote Pforte, die zu durschreiten, ihn wieder zu einem der
gewöhnlichen Gäste ohne besonderen Status machte. Sie hätte ihn dort lassen
sollen. Das hätte ihr eine Menge Ärger erspart. Er passte nicht in ihre Welt.
Er passte nirgendwo hin. Das hatte er von Kindesbeinen an gelernt. Er war sich
selbst der Nächste. Niemand interessierte sich für ihn. Und wenn, dann war es
nur oberflächlich so wie die kleine Episode oben im Apartment. Er hatte sie
aber gewarnt und wer nicht hören wollte, der…
Sein Begleiter saß immer noch an der Bar. Neben ihm ein Mädchen. Betrunken oder
tot. Wenn sie Glück gehabt hatte, nur ohnmächtig. Das Bettlaken noch einmal
etwas straffer über die breite Schulter ziehend steuerte er den Cäsar an.
Sobald er die Massen der Tanzenden durchquert und nur noch wenige Meter von der
Bar entfernt war, witterte er das Blut. Seine Nasenflügel zuckten. Sein Magen
rumorte. Er war hungrig. Seit Tagen schon. Ein Hunger, der ihn quälte und nicht
gerade dazu beitrug, weiterhin einen klaren Kopf zu bewahren. Also drosselte er
seine Atemzüge auf ein gekonntes Minimum, mit dem er sich Julius,

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