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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sagen, es wurden Unschuldige festgenommen?
    CASANOVA: Bei all den Präzedenzfällen… insgesamt meine ich… es ist die Schuld von allen und von niemandem. Heutzutage kommt das eben vor… und für mich… sage ich… für mich wollte er die Absprachebulle herbringen… PATERNOSTRO: Können Sie uns eine Kopie davon überlassen? CASANOVA: Ich habe keine bei mir. Wenn Sie eine wollen, werde ich sie Ihnen schicken, ja, ja, ich stelle mir vor, daß man sie für mich geschickt hat. Ich rede ein bißchen zuviel. Vielleicht ermüde ich Sie.
    VERSCHIEDENE STIMMEN: Nein, ganz und gar nicht, reden Sie ruhig weiter!
    CASANOVA: Was ist die Absprachebulle? Ich mag mich täuschen, aber ich glaube, sie nahm und nimmt heute noch ihren Anfang bei gewissen verwerflichen Sätzen aus dem Mund der Priester, mit denen sie die Dinge vertuschen wollen… bei einer alten Propagandagesellschaft für die Kreuzzüge. CUSA: Die Bulle der Kreuzzüge…
    CASANOVA: Die jetzt Absprachebulle heißt. Auf jeden Fall ist die Theorie der aktuellen Bulle folgende: Das Evangelium besagt in Kapitel irgendwas, Vers soundso: Hat einer eine Kuh gestohlen, muß er sieben Kühe zurückgeben. Das sind orientalische Übertreibungen, die auf der löblichen Idee basieren, daß jeder, der gestohlen hat, zur Wiedergutmachung verpflichtet ist. Es kann jedoch vorkommen, daß der Soundso, der gewissenhaft das Diebesgut zurückgeben will und den Bestohlenen trotz eifriger Nachforschungen nicht finden kann… Dann heißt es: Pro soundso viel Scudi zahlst du soundso viel Tari, was in Lire und Centesimi umgerechnet 3,5 Prozent des zugefügten Schadens ausmacht. Auf diese Weise erlangt man die Sündenabsolution, der Segen kann bis zu einer gewissen Menge von Schuld reichen. Das ist der Normalfall. Jetzt gestatten Sie mir, nur drei der Artikel zu zitieren, die ich noch im Kopf habe, insgesamt sind es siebzehn oder neunzehn. Artikel sieben besagt: Der Strafverteidiger, der Geld, Geschenke oder Wertsachen erhalten hat, um die Rolle des Gegners des eigenen Klienten zu spielen, kann sich gütlich einigen und der Schuld enthoben werden. Dann ist da noch ein anderer Artikel, nach dem sich ein Richter einigen kann, der Geld und Geschenke annimmt, um ein ungerechtes Urteil zu fällen oder das Alibi eines Verbrechers zu bestätigen. Es gibt da noch einen Artikel betreffs Frauen (Ihr werdet hoffentlich nicht zimperlich sein): Die Absprache für eine Frau, die keinen schlechten Ruf hat und dennoch für ihre Gunst Wertsachen entgegengenommen hat; das geschieht in allen Ländern der Erde. Dann kommt der zweite Teil: Gleichermaßen kann sich der Mann gütlich einigen… der sich in der derselben Situation befindet und zur eigenen Bereicherung… und so geht’s weiter über vierzehn Seiten… Ich meine, was wollt Ihr denn, diese armen Leute werden von denen hinters Licht geführt, die ihnen eigentlich Vorbild sein sollten… Und wenn in einem Land, in dem das Temperament leidenschaftlich ist, die Phantasie gedeiht und das niedere Volk über Jahrhunderte hinweg in einem derartigen Morast gehalten wurde, und zwar von denen, die es eigentlich zur Tugend erziehen sollten – entweder aus allzu menschlichen Gründen oder aus Gründen höherer Gewalt, wie ein Pfaffe sagte –, muß man der Gerechtigkeit halber sagen, daß die Schmach und die Schande bei ihnen liegen. Die Sache ist unerhört! CUSA: Ohne Zweifel.
    CASANOVA: Das moralische Milieu, das Klima, das die Geschichte Palermos atmet, findet sich in besagter Absprachebulle wieder. Fest steht außerdem, daß besagter Herr Tajani von der Regierung die Anweisung erhalten hat, die Bulle zu beschlagnahmen und ein Dekret zu erlassen, das ihre zukünftige Verbreitung untersagt. Doch was hat das schon zu bedeuten, wenn jedermann sie vom Beichtvater kriegen kann! Das ist die gleiche Geschichte wie mit der Verfassung von England, von der man nicht einmal weiß, wo sie gedruckt worden ist – das hat mir ein großer englischer Staatsmann verraten. Die volle Wahrheit ist aber, daß man sich wenig um sie schert. Hier wie dort gibt es die Geschichte mit der Absprachebulle, sie haben sie auch mir zugeschickt, alle haben ja Fehler, da sind wir uns einig. Ich erinnere mich an einen Artikel in der Times, der Ihnen gewiß nicht entgangen ist; da war die Rede von einem, dem auf der Reise von Frankreich nach England der Reisesack mit dem Schmuck seiner Ehefrau im Wert von sieben- oder achthunderttausend Lire abhanden kam; dieser Mann gab bekannt, daß er dem,

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