Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.
der ihn sein Gepäck wiederfinden ließe, einen Finderlohn von dreihunderttausend Franc geben würde; er fügte noch hinzu, daß er keine weiteren Nachforschungen anstellen wolle. Das war eine regelrechte Absprache. In England aber stolperte der Mann über das Gesetz, denn dort ist es nicht gestattet, sich mit einem Verbrecher bezüglich eines Delikts gütlich zu einigen. So wurde ihm der Prozeß gemacht. Bei uns hingegen gibt es die Bulle, kraft derer mit dem Dieb verhandelt werden kann.
GRAVINA: Trägt diese Bulle die Unterschrift irgendeiner Kirchenautorität?
CASANOVA: Einen Pfaffen dingfest zu machen, ist ein ziemlich schwieriges Unterfangen, das wissen Sie besser als ich! Nein, sie ist nicht unterzeichnet. Wenn ich mich nicht irre, hat mir jemand gesagt, daß in einem Eckchen anstelle der Unterschrift eine Nummernmarke als Echtheitsnachweis angebracht ist. Die Pfarrer hatten schließlich Augen im Kopf, und in einem Sonderbulletin sagten sie: Wir genehmigen die Bulle Nummer soundso, so daß sich der Belegabschnitt auf die bereits genehmigten Bullen bezog. Und wer eine ordnungsgemäße Absprachebulle hatte, der konnte handeln. Es gab den Erlaß der Fastenaufhebung vom Freitag und vom Samstag, bei dem alles nach Tarifen geregelt ist: Ein Herzog bezahlt hundert Lire, ein Graf sechzig und so weiter, alles Kindereien.
GRAVINA: Es ist schon immer so gewesen, auch die Regierung ließ es zu.
CUSA: Aus welcher Zeit soll diese Absprachebulle sein? Einen Stempel muß sie wohl haben.
CASANOVA: Ich weiß es nicht, aber sie wurde bereits von dem Erzbischof vor dem jetzigen eingefordert.
CUSA: Ist das der Erzbischof, der sie veröffentlicht hat? CASANOVA: Die gibt’s schon seit Jahrhunderten, sie ist einfach da; das Übel ist chronisch geworden
CUSA: Man wundert sich eigentlich, daß die Auswirkung dieser Bulle, die von sich aus bereits ziemlich übel ist, die Situation des Landes nicht noch mehr verschlechtert hat; und diese Tatsache überhäuft das Land mit Ehre. Anders gesagt, ihr Einfluß hätte weitaus größeren Schaden angerichtet, wäre da nicht der gesunde Gemeinsinn der Bevölkerung gewesen, die sich widersetzt hat. CASANOVA: Wie bitte?
ALASIA: Der Baron sagt, der Einfluß dieser Bulle sei dermaßen verheerend gewesen, daß es Wunder nimmt, warum sie das Land nicht in ein größeres Verderben gestürzt hat. CASANOVA: Die Korruption gab es…
CUSA: Die Bulle gibt es.
DE CESARE: Dinge, die von der Religion verdammt sind, werden als Glaubenssache aufgetischt.
GRAVINA: Ist das beim Klerus in den Provinzen unterhalb von Neapel nicht üblich?
DE CESARE: Dort gibt es die Kreuzzugbulle, die das Gewissen sowohl des Barons, des Fürsten, des Marchese usw. bis zum letzten Plebejer erleichtert; aber es handelt sich nicht um die Absprachebulle.
CASANOVA: Ich hoffe, davon noch eine Abschrift zu haben, auf der der Stempel mit zwei Heiligen in Schwarz ist, die aussehen wie zwei Kröten.
An dieser Stelle ist die Kommission der Ansicht, auch über die Absprachebulle genügend Worte verloren zu haben, und freut sich, daß dieselbe ihres Erachtens nach nicht noch größeren Schaden angerichtet hat. Der Generalleutnant wird daraufhin zu einem anderen Thema vernommen.
10.
Ich habe mich streng an den Wortlaut gehalten, ohne der Versuchung nachzugeben, gewisse Sätze deutlicher zu machen, die als gesprochene zwangsläufig bruchstückhaft und manchmal recht unklar sind. Ich muß sogleich hervorheben, daß die Rede des Generalleutnants, die ansonsten flüssig und in sich stimmig ist, manchmal zurückhaltend, ja in einigen Abschnitten sogar unverständlich klingt, sobald es um die Absprachebulle geht. War es ihm bewußt, daß er sich auf einem Terrain bewegt, das nicht seines und zudem voller Tücken ist?
Wie gesagt, ich bin von Beruf Theaterregisseur und glaube behaupten zu dürfen, daß der Dialog zwischen dem General und den Kommissionsmitgliedern nicht stimmig ist und nicht überzeugt. Ich will ein Beispiel stellvertretend für alle anführen. Als Casanova die Rede auf die Absprachebulle bringt, stellt nicht ein einziger der Kommissare die simpelste aller Fragen: Wollen Sie, Herr Generalleutnant, uns freundlicherweise sagen, wovon Sie eigentlich reden? Statt dessen fragt der Abgeordnete Paternostro: Könnten Sie uns bitte eine Abschrift davon zukommen lassen? Und hier muß ich eine lustige Sache anführen, die in der Originalabschrift aus den stenographierten Notizen enthalten ist. Der Übertragende schreibt im ersten
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