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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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besagt, daß das gedruckte Original dem Absender zehn Tage nach Erhalt zurückgeschickt wurde. Das bedeutet, daß der Vorsitzende ausreichend Zeit hatte, vor der Rückgabe eine Abschrift anzufertigen, wie Casanova es gewünscht hatte. Deshalb hätte der Vorsitzende zur Archivierung des Briefs eigentlich eine Kopie beifügen müssen, damit das Dokument vollständig wäre – was es in Wirklichkeit nicht ist. Wir wissen nicht, ob das getan wurde, doch jene Anmerkung »fehlt« von seiten der Herausgeber ist nur auf zwei Weisen zu verstehen: Der Vorsitzende hat keine Abschrift der Bulle gemacht, und bei Rückgabe des Originals an Casanova hat sich jede Spur von ihr verloren; oder er hat eine Abschrift gefertigt, die im nachhinein aus dem Aktenbündel, in dem sie steckte, entwendet wurde. Doch warum verschwand nicht auch das Begleitschreiben? Ein so verstümmelter Brief hat schließlich keinen Sinn mehr, er spielt auf etwas an, das nicht mehr existiert. Und da undenkbar ist, daß die Kopie der Absprachebulle verlegt worden ist (die Bestandsaufnahme des Archivs durch die Herausgeber ist höchst akkurat), können keine anderen als die zwei von mir vorgebrachten Vermutungen aufgestellt werden.

    11.

    Anhand der Protokolle der letzten Verhöre aus der zweiten Januarhälfte 1876 gewinnt man den Eindruck, die Kommission sei müde und ein klein wenig angeschlagen. Die Kommissare machen gegenüber den Zeugen nicht mehr jene scharfsinnigen Bemerkungen wie noch drei Monate zuvor; jetzt hören sie einfach nur zu, und die wenigen, lustlos gestellten Fragen können mit Sicherheit weder intelligenten noch erfahrenen Personen für angemessen genannt werden. Ab dem Tag, an dem die Kommission ihren Standort nach Sizilien verlegt hatte, wurden Präfekte und Bürgermeister, Politiker und Kirchenmänner, Landbesitzer und namhafte Handwerksmeister, Kaufleute und Adlige, Richter und Vorsitzende, hochrangige Militärs und angesehene Universitätsprofessoren, Quästoren und Steuereintreiber verhört – das Beste, was das Geschlecht der Leoparden bis hinunter zur Hauskatze mit Stammbaum zu bieten hatte. Und die Antworten lauteten immer gleich, mit ganz leichten Abänderungen.
     Ganz anderes und wesentlich Interessanteres hätte die Kommission aus den Mündern derer hören können, die von vornherein von den Listen der zu Befragenden ausgeschlossen worden waren: Arbeiter, Tagelöhner, Erntearbeiter, Sackträger, Schwefelarbeiter, Salinenarbeiter, Bergleute, Minenburschen, Lastenträger, Eseltreiber, Ablader, fahrende Händler, Kutscher und was es sonst noch alles gibt, Leute eben, die es gewohnt sind, von der Hand in den Mund zu leben, und die deshalb den kleinen Dingen des Alltags wesentlich zugeneigter sind als den großen sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Ihr Ausschluß war nicht der Böswilligkeit derer anzulasten, die sie nicht beachten wollten. Im Gegenteil, es handelte sich vielmehr um eine zuvorkommende Höflichkeitsgeste. Wie jedermann weiß, haben diese Leute keine Übung im kultivierten Plaudern, sondern neigen eher zu schamlosem Gerede und zum Fluchen, und die Regierungsbeamten, die die Listen der zu befragenden Kategorien zusammengestellt hatten, hatten sie einfach nicht in Verlegenheit bringen wollen.

    Wenngleich die wohlabgewogenen Antworten derer, die sich auf den richtigen, gewählten und geschmeidigen Gebrauch des Wortes verstehen, die gute Absicht der Kommissare stärkten, die anfangs, wie schon gesagt, vorzüglich war, aber nach den ersten beiden Monaten von Tag zu Tag verflachte. Kurz vor der Abreise aus Rom hatten sich die Kommissare am Ende einer der letzten und endlosen Vorbereitungsversammlungen gesagt: »In Sizilien reden wir nur von konkreten Dingen, von Tatsachen, und lassen uns nicht in den Reigen der Unterstellungen, Vermutungen, Andeutungen, der halben Sätze, des Gesagten und Ungesagten hineinziehen. Auf dem Gebiet der Zweideutigkeiten sind die Sizilianer nämlich Meister.«
     »Die Sizilianer«, hatte der Abgeordnete Francesco Paternostro noch bekräftigend hinzugefügt, »behaupten, sie sprächen Latein, sie sprächen Spartanisch, und sie sprächen Sizilianisch. Uns interessiert, daß sie einfach nur Lateinisch reden, was soviel heißt, wie sich klar und deutlich auszudrücken. Man darf sie nicht Sizilianisch reden lassen, ansonsten begreifen wir am Ende überhaupt nichts mehr.«
     »Und das Spartanische, wie steht es damit, bitteschön?« hatte Bonfadini gefragt.
     »Wenn sie Spartanisch reden, ist es

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