Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.
Francesco Lanza, die meiner Ansicht nach sehr gut zum Ausdruck bringt, was die wahre »Natur« des Sizilianers in Sachen Glaubensfragen ist.
Ein Bauer aus Nicosìa hatte in seinem Weinberg einen Birnbaum, der trotz ausgiebiger Pflege, Stutzen und Veredelung weder zum Blühen kam noch Früchte trug. Nach einigen Jahren vergeblichen Wartens war es der Bauer leid, nahm die Axt und machte aus den Ästen Brennholz. Den Stamm ließ er so, wie er war, Wind und Wetter ausgesetzt. In der Dorfkirche nun fehlte eine Christusstatue, und der herbeigerufene Bildhauer hielt den Baumstamm für sein Vorhaben für bestens geeignet. Der Mann aus Nicosìa gestattete ihm, den Baumstamm direkt am Boden abzusägen und mitzunehmen. Der Bildhauer war ein großer Meister, und die kunstvoll geschnitzte Christusstatue im Kircheninnern sah einfach wunderschön aus. So kamen alle Gläubigen zu der Überzeugung, daß ein derart schöner und gottähnlicher Christus einfach wundertätig sein mußte. Eines schlimmen Tages nun erkrankte der Sohn des Bauern aus Nicosìa schwer; der stürzte in die Kirche und begann zur Statue zu beten: »Erinnere dich, daß ich dich, als du noch ein Birnbaum warst, gepflegt und gehegt habe; ich bin es gewesen, der deine Äste abgeholzt hat; meine Idee ist es gewesen, dich mitten auf dem Feld stehenzulassen, und schließlich bin ich derjenige, der dich dem Bildhauer überlassen hat. Wie auch immer, ohne mich wärest du nie Christus geworden, wärest ein unfruchtbarer Birnbaum wie viele andere in dieser Gegend geblieben.« Der hölzerne Christus zeigte nicht die leiseste Regung, ob er nun jenen Bitten Gehör schenken wollte oder nicht – im Gegenteil, es schien so, als würde er sich immer mehr verschließen, je mehr der Arme ihn anflehte. Schließlich kamen Leute und sagten dem Nicosìaner, er solle mit dem Beten aufhören: Sein Sohn sei tot.
»O weh!« schrie er da und schlug sich auf die Schenkel. »Als Birnbaum trugst du nie Birnen, und als Christus tust du nicht mal Wunder. Der Angeschmierte bin ich, der ich auch noch zu dir gebetet habe.«
Was die Absprachebulle angeht, so hat diese rein gar nichts mit Aberglauben zu tun. Sie wurde in der Kirche von den Pfaffen oder dem Sakristan im Auftrag des Dorfgeistlichen verkauft. Sie war in jeder Hinsicht eine Gottessache.
Ich will vermeiden, daß jemand aus meinem Verschulden einem dummen Mißverständnis zum Opfer fällt. Wenn ich den Weg im Geist noch einmal zurückverfolge, auf dem ich nach und nach eine Erklärung für die Absprachebulle finden konnte, so habe ich an einem bestimmten Punkt die Bettelbulle ins Spiel gebracht, die ich unter den Papieren meiner Mutter gefunden hatte. Hierbei handelte es sich um eine ganz normale Ablaßbulle, die nur die eine einzige Abnormität besaß, daß sie seelenruhig dank des kleinen, bereits erwähnten Tricks verkauft werden konnte. Von außergewöhnlichen Kräften, durch die Unwetter zur Ruhe gebracht oder Brände erstickt werden (oder die jemanden vor Diebstählen bewahren, wie Consolo schrieb), stand auf dem bemalten Blatt Papier nicht das geringste: Das war etwas, worüber die Fratres, die die Bulle verkauften, hinter vorgehaltener Hand flüsterten und woran die Gläubigen hartnäckig glaubten: Über diese Variante des Aberglaubens, die einer religiösen Wurzel entsprang, hatte noch nie jemand etwas schwarz auf weiß festgehalten; jederzeit konnte alles von denen dementiert und geleugnet werden, die die Bulle in Umlauf gebracht hatten.
Ich möchte nun nicht die Vermutung aufkommen lassen, daß die Absprachebulle auf irgendeine abstruse Weise den Wert einer Ablaßbulle haben könnte, und sei diese noch so trügerisch. Beide ähneln sich jedoch rein äußerlich.
Sehen wir uns einige Ähnlichkeiten einmal genauer an. Beide werden den Gläubigen nach dem von Stocchi definierten »religiösen Ritual« angeboten.
Notwendigerweise muß aber vorausgeschickt werden, daß Professor Stocchi den vierzehn öffentlichen Briefen an die Kommission viele handschriftliche Blätter beigefügt hatte: Sie enthalten Erläuterungen und genauere Erklärungen, die die Zeitungsartikel nur langatmig hätten wirken lassen. Und wir behalten diese handgeschriebenen Seiten gebührend in Erinnerung.
Die Absprachebulle wurde wie jede andere Ablaßbulle am heiligsten Ort überhaupt, im Haus des Herrn, in der Kirche, und zwar im Innern der Kirchenmauern, nicht auf dem Kirchplatz oder in angrenzenden Bereichen oder in der Sakristei, zum Kauf
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