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Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten.

Titel: Eine Sache der Ehre. Zwei wahre Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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sich den Rest vorzustellen.
    4. Wenn ein ordentlicher Richter oder Staatsanwalt oder Assessor eine Geldsumme oder etwas anderes angenommen hat, um ein ungerechtes Urteil zu fällen oder einen Prozeß zum Schaden der Gegenseite in die Länge zu ziehen (sic!), irgendeine Strafverschärfung oder eine andere unrechtmäßige Sache zu beschließen, können (sic!) und sollen sie für das, was sie erhalten haben, eine Einigung finden.
    16. Alle Weibsbilder, die in der Öffentlichkeit nicht als unehrenhaft gelten, können sich für die Geldsummen, gleich welcher Höhe, oder Schmuckstücke, die sie auf schändliche Weise erhalten haben, freikaufen; und die Männer, die aus ähnlichem Grund Geld oder anderes von freien Frauen erhalten haben, können sich auf dieselbe Weise einigen. Das ist die Moral, wonach der katholische Klerus das Volk und besonders die unteren Klassen in Sizilien erzieht, und das war die von den vorherigen Regierungen geförderte und vorgegebene Richtung.«

    Holen wir einen Augenblick Luft, um einen Kommentar anzudeuten. Die »Weibsbilder, die in der Öffentlichkeit als unehrenhaft gelten«, sind nicht ausgenommen, sie finden sich in einem anderen Kapitel oder unter einem anderen Titel, wo die Prostitution bis in alle Einzelheiten abgehandelt ist, ebenso wie die Rolle des Zuhälters, des »Absahners«, wie er damals in Sizilien hieß. Hier aber werden die Frauen, die »in der Öffentlichkeit nicht als unehrenhaft gelten«, die jedoch von ihrem Liebhaber Geldgeschenke oder Edelsteine erhalten haben, in Betracht gezogen; ebenfalls sind die Männer angeführt, die von einer »freien« Frau (im Sinne von Ehebrecherin) ein Geschenk gleich welcher Art für ihre Dienste entgegengenommen haben. Welch verheerende Auswirkungen die Absprachebulle haben kann, geht jedoch aus Punkt vier hervor, wo jede Form von Ungerechtigkeit, die innerhalb des öffentlichen Justizwesens geschieht, entsprechend zurechtgebogen werden konnte. Und mehr noch: Jedes in der Bulle angegebene Verbrechen wird zu Recht als »schandhaft«, »ungerecht« usw. definiert: Es handelt sich hierbei um ein moralisches Urteil, das über den Käufer, nicht aber über den Verkäufer der Bulle gefällt wird.

    »Was ist nun der Preis der Absprachebulle? Eine Abgabe auf das Delikt zugunsten des Klerus, die zugleich eine Diebstahlsbeteiligung und selbst wiederum ein Diebstahl ist. Und das gemeine Volk, das seine Interessen und Laster mit scharfem Kalkül und unvergleichlicher Logik verfolgt, schließt daraus (es wäre ja gelacht, wenn es das nicht täte): Wenn der Pfaffe bei Diebstählen mitmacht und klaut, darf es selbst mit noch viel größerem Recht stehlen, und der Diebstahl ist deshalb keine Sünde. Wenn nun der unwissende Sizilianer überzeugt ist, daß etwas keine Sünde ist, fürchtet er den ganzen Rest auch nicht und läßt den lieben Gott einen guten Mann sein; tausenderlei Mittel und Wege stehen ihm nämlich zur Verfügung, um nicht Opfer der menschlichen Justiz zu werden oder sich ihr ganz zu entziehen. Ihm genügt es einfach, sicher zu sein (eine törichte, aber verderbliche Gewißheit), daß er nicht in die Hölle kommt; und vor dieser einzigen Angst bewahren ihn das Vorbild des Priesters und sein Sündenfreispruch.
    Was ist dann die Absprachebulle? Sie ist nicht mehr und nicht weniger als eine Erpressung. Und auch hier stellt der idiotische und raffgierige Sizilianer dieselbe Überlegung an und gelangt so zwangsläufig zur gleichen Schlußfolgerung. Wie der Viehraub, einer der schlimmsten Übel in Sizilien, geradewegs vom genehmigten Diebstahl herrührt und beinahe vom Gottesdiener und durch eine Art religiöses Ritual heilig erklärt wurde, so folgen daraus zwangsläufig auch die bewaffneten Raubüberfälle und die Straßenräuberei, die wiederum Körperverletzungen und Morde nach sich ziehen. Nicht weniger augenfällig und unbestreitbar ist die Verbindung zwischen Absprachebulle und Erpressungen, Erpressungen und Menschenentführung, welche ebenfalls mit Bluttaten in Zusammenhang stehen.
    Es ist eine ununterbrochene Kette schrecklicher Solidarität. Entweder wird das erste Glied zerbrochen und vernichtet, oder besser noch das Rückenstück, an das es angehängt ist, oder man muß das tödliche Treiben bis zum bitteren Ende ertragen, wie im Zwinggriff des Henkers.«

    15.

    »Der Sizilianer«, behauptet Professor Stocchi in seiner Vorrede, »ist von Natur aus nicht religiös, sondern abergläubisch.«
     Es gibt eine herrliche Farce von

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