Eine Schwester zum Glück
dass fast alle Gäste am Pool standen. Mackie hatte es mit dem Vorbeischlendern ein wenig eilig, weil uns nicht mehr viel Platz blieb. Ich sollte vorüberflanieren, unwiderstehlich aussehen, Everett mit meiner Anwesenheit überraschen und mich dann wieder zu meiner Fundgrube an Männern gesellen, ohne das Geheimnis zu lüften, warum ich überhaupt hier war.
Mackie war ein großer Fan von geheimnisvollen Frauen.
Das Vorbeischlendern fing gut an. Doch auf halbem Wege zu unserer Zielperson mussten wir durch eine schmale Lücke zwischen einer unpassierbaren Gruppe von Web-Programmierern und dem Beckenrand steuern. Ich habe die Szene tausendmal vor meinem geistigen Auge abgespielt, und ich bin mir noch immer nicht sicher, worüber ich stolperte, doch bevor ich mich’s versah, landete ich im Wasser.
Es gibt bestimmte Frauen – Mackie wäre eine davon –, die es fertiggebracht hätten, mit selbstironischer Anmut in den Pool zu fallen. Doch ich kam nur prustend wieder an die Oberfläche und paddelte wie ein Hund auf die Stufen zu, während ein Garten voller Fremder schweigend ihre Drinks in Händen hielt. Am liebsten würde ich sagen, dass selbst der Jazz aus den Lautsprechern eine Minute lang verstummte, aber das stimmt vielleicht doch nicht. Mackie war fast augenblicklich mit einem Handtuch zur Stelle, als ich die Treppe wie ein auftauchendes U-Boot emporstieg.
»Was ist passiert?«, fragte Mackie.
»Ich bin in den Pool gefallen«, sagte ich.
Sie wickelte das Handtuch um mich. »Was du nicht sagst.«
»Meinst du, es ist jemandem aufgefallen?«
Alle starrten immer noch her, Everett Thompson eingeschlossen. »Neee.« Mackie blickte in die Runde. »Du hast noch mal Glück gehabt.«
Sie steuerte mich wieder durch die Menge, doch diesmal stolzierte ich nicht einher. Ich hatte einen Schuh im Wasser verloren. Mein wallendes weißes Kleid klebte jetzt wie Kleenex zusammen – und war vielleicht sogar im Begriff sich aufzulösen. Ich zog den Kopf ein und verbarg mich hinter meinen nassen Haarsträhnen.
Mackie brachte mich bis zur Hintertür und wies mich an zu duschen, »mich zusammenzureißen« und dann auf die Party zurückzukehren.
»Das mach ich nicht«, sagte ich.
Es ärgerte sie, dass wir so unterschiedlich waren. »Ich wusste doch, dass du deinen Mut verlieren würdest.«
»Ich habe nicht meinen Mut verloren«, sagte ich, obwohl das natürlich stimmte. »Ich bin nur wieder bei Verstand.« Auch das traf zu. »Mit Everett Thompson zu flirten ist wirklich das Letzte, was ich brauche.«
»Das war kein Flirten. Das war Foltern.«
»Das ist das Gleiche.«
»Wo liegt dein Problem?«, sagte sie. »Er ist süß.«
»Das Problem besteht darin, dass ich ihn nicht mag.« Und an dieser Stelle klang ich viel überzeugter, als ich eigentlich war. Denn irgendwie hatte ich ihn schon immer gemocht – selbst nachdem er mit dem Mädchen aus der Theatergruppe zusammengekommen war, das purpurfarbene Pumps zur Schuluniform trug. Manchmal beobach tete ich ihn verstohlen in der Cafeteria, doch wenn er mich dabei erwischte, verschwand sein Lächeln augenblicklich, und er brachte sein Tablett zum Förderband.
Solche Gefühle versuchte ich derzeit zu vermeiden: mich wie ein Biest zu fühlen oder wie ein schlechter Mensch. Auf keinen Fall würde ich ihn wieder mögen, und sei es auch nur aus Rücksicht auf die entfernte, aber durchaus existierende Möglichkeit hin, dass ich ihn vielleicht gar nicht wollen würde, falls es mir tatsächlich gelingen sollte, ihn herumzukriegen. Schließlich war das schon einmal vorgekommen.
»Aber du magst ihn sehr wohl«, sagte Mackie. »So was merke ich dir an.«
Für Mackie gab es in der Liebe nur schwarz oder weiß. Gefühle waren in ihren Augen ziemlich einfach. Man liebte jemanden, oder eben nicht. Man war glücklich oder unglücklich. Das Leben war gut oder schlecht. Sie steckte Dinge gern in weit gefasste Kategorien, wobei sie stets versuchte, in Richtung glücklich aufzurunden. Traurigkeit wurde nur anerkannt, wenn wirklich alle Stricke rissen.
Auf einmal bekam ich das Gefühl, dass Mackie nie aufhören würde, mich anzutreiben, wenn ich das Ganze nicht endgültig beendete. Ich wollte nicht, dass sie meine Gefühle analysierte, mein Zögern beurteilte oder es künstlich so einfädelte, dass Everett und ich uns zufällig begegneten. Normalerweise war ich Mackie gegenüber völlig aufrichtig. Bis hin zu Du-hast-Popel-in-der-Nase -ehrlich.
Dementsprechend schockierte ich mich selbst mit dem,
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