Eine Schwester zum Glück
was ich als Nächstes über Everett Thompson sagte. Vielleicht gab ich ihr die Schuld an dem Tarnkappenmiezen-Debakel. Mir war kalt, ich war nass und wollte in Ruhe gelassen werden. Denn dort auf der Terrasse, zum ersten Mal in meinem ganzen Leben, belog ich Mackie bei etwas Wichtigem.
»Ich mag ihn überhaupt nicht«, sagte ich. »Wirklich nicht.«
Sie versuchte, aus mir schlau zu werden. »Obwohl du findest, dass er fabelhaft aussieht?«
»Er sieht zu fabelhaft aus«, sagte ich. »Wie in Die Frauen von Stepford – fabelhaft.«
»Wie eine Ken-Puppe«, fügte Mackie hilfreich hinzu.
»Stimmt! Er ist eine Ken-Puppe!« Ich stellte weitere Ähnlichkeiten fest. »Die blauen Augen. Die blonden Haare.«
»Der Plastikschritt.«
»Reden wir nicht über seinen Schritt.«
»Bist du sicher? Das könnte lustig werden.«
»Der springende Punkt ist, dass ich mich nicht zu ihm hingezogen fühle.« Ich sah ihr direkt in die Augen und wartete ab, bis sie mir glaubte.
Und dann, nach einer Weile, tat sie es. Warum auch nicht? »Okay«, meinte sie. »Everett Thompson ist out.«
Mit einem Seufzen sagte ich: »Danke.« Ich ließ sie an der Tür stehen und war schon beinahe im ersten Stock, als sie mir hinterherrief: »Sarah?«
»Was denn?«
»Darf ich ihn dann mit anderen verkuppeln?«
Mackie testete mich, wie ein Detective, der auf dem Weg nach draußen noch eine letzte Frage vom Türrahmen aus abfeuert.
Sie wollte sehen, ob ich zögerte, also tat ich es nicht. »Absolut.« Dann fügte ich mit einem Blick in Richtung Garten hinzu: »Obwohl er schon eine Freundin zu haben scheint.«
Mackie warf einen Blick nach hinten und bedachte mich dann mit einem Lächeln. Sie hatte nur eine Stunde Zeit gehabt, aber sie wusste schon über das Wichtigste Bescheid. »Die? Das ist eine reine Bettgeschichte.«
»Alles klar«, sagte ich und ging weg.
Ich habe seitdem viel über diese kleine Lüge nachgedacht. Es war so eine Winzigkeit. Leute tischen einander ständig kleine Lügen auf – zum Selbstschutz, um sich herauszureden oder um sich etwas Raum zu verschaffen. Es war nichts Unverzeihliches oder Schreckliches. Doch damit hatte sich etwas zwischen uns verändert, und ich rufe es mir immer wieder ins Gedächtnis, wenn ich mal wieder kurzzeitig davon ausgehe, dass unsere ganzen Schwierigkeiten erst später anfingen.
Zehn Minuten nachdem ich geduscht hatte, stahl ich mich nach unten in die Küche zurück, um mir etwas Eis zu holen. Ich hatte vor, einen halben Liter cookies & cream zu verdrücken, während ich auf dem Bett von Mackie und Clive hockte und mir auf ihrem Flachbildschirm den Biography –Kanal ansah. Das war ohnehin alles, was ich ursprünglich hatte tun wollen.
Ich war mir nicht völlig sicher, ob mir Mackie mein Desinteresse an Everett abgenommen hatte. Schließlich war es ganz schön schwer, jemandem so etwas weiszumachen. Man kann nicht verkünden, ein Mann sehe fabelhaft aus, und dann Gleichgültigkeit vortäuschen. Doch ich hatte einen guten Anfang gemacht, und ich hatte mich ganz cool gegeben. Aus meinem ehemaligen Beruf wusste ich, dass ich es jetzt nur noch ständig wiederholen musste, bis es wie die unbestreitbare Wahrheit klang.
In Sachen Liebe war Mackie wie eine aufdringliche Nachbarin aus einer Sechzigerjahre-Sitcom mit Lockenwicklern in den Haaren und Plüschpantoffeln. Sie tauchte immer zum falschen Zeitpunkt auf, hörte alles über den hinteren Gartenzaun mit, machte sich stets ein falsches Bild und versuchte zu helfen, während sie die Lage in Wirk lichkeit unglaublich verschlimmerte und alles mit ihrem Übereifer ruinierte.
Mackie wollte wirklich, dass ich einen Mann fand. Tief in ihrem Innern glaubte sie, selbst wenn sie das aufgrund ihres Abschlusses in Frauenforschung im Nebenfach nicht eingestehen durfte, dass ich alleine niemals glücklich sein könnte. Sie war so besessen davon, dass ich jemanden fand, dass sie in der Angelegenheit einfach nicht cool bleiben konnte. Wenn ich auch nur das kleinste Interesse an jemandem zeigte, probierte sie gleich am ersten Tag aus, wie sein Nachname zu mir passte. Schlug die Hochzeits trommel. Rauchte die Monogamie-Pfeife. Betete zum Liebes stern. All das machte sie in diesem Bereich zu einer schlechten Gesprächspartnerin.
Deshalb nahm ich lieber den Weg zum Kühlschrank und schaute dann im Biography -Kanal nacheinander Beiträge über Lauren Bacall, Betty Grable und Marilyn Monroe an. Ich trug meinen Schlafanzug, hatte die Haare in ein Hand tuch gewickelt und
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