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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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sämtliches Make-up abgeschrubbt. Ich war so weit, Operation Tarnkappenmieze ad acta zu legen. Rache, kam mir auf einmal in den Sinn, war sowieso ein Fehler.
    Die Packung cookies & cream stand auf der Arbeitsfläche, der Deckel war geöffnet, und ich hatte mir eben einen Riesenlöffel davon in den Mund geschaufelt, als die Küchentür aufschwang und Everett eintrat. Bei meinem Anblick blieb er wie angewurzelt stehen. Ich hob die Hand und winkte.
    »Was machst du hier?«, fragte er.
    »Eis holen«, sagte ich mit vollem Mund.
    »Aber was machst du hier ?« Er wies auf das Haus im Allgemeinen.
    Ich schluckte. »Du kennst doch Clive?«
    »Ja«, sagte er. »Ich kenne Clive.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Er ist mein Schwager.«
    Everetts Schultern sackten ein Stück ab, wie wenn jemand schlechte Neuigkeiten hört. »Oh.«
    »Ja.«
    Dann streckte er die Hand aus und hielt mir den Schuh entgegen, den ich im Pool verloren hatte.
    »Den habe ich gefunden.« Er stellte ihn auf die Arbeitsfläche.
    »Großartig«, sagte ich mit wenig Begeisterung.
    Es folgte ein kurzes betretenes Schweigen, dann musterte Everett mein Nach-der-Dusche-Outfit und sagte: »Du gehst nicht zurück auf die Party?«
    »Nein.« Ich schüttelte den Kopf. »Ich bin einfach« – und an dieser Stelle sah ich ihm nicht in die Augen – »zu alt.« Ich rammte meinen Löffel in die Eispackung, ergriff sie und wandte mich zum Gehen – obwohl ich in dem Augenblick den starken Drang verspürte zu bleiben. Er wirkte beinahe freundlich. Wie jemand, mit dem ich wahn sinnig gern in einer Küche gestanden und über Gott und die Welt geredet hätte. Doch seine Gemeinheit vom Flugzeug nagte immer noch an mir, das Pool-Debakel noch heftiger, und ich wollte unbedingt das letzte Wort haben. Nach diesem Bridget-Jones-Moment, den ich eben erlebt hatte, schien es mir absolut unerlässlich, das letzte Wort zu haben.
    Ich nahm meinen Schuh von der Arbeitsfläche und ging auf die Treppe zu und redete gähnend vor mich hin, als wäre er gar nicht da. »Ich muss nach oben, meine Inkontinenzwindel wechseln. Und mein künstliches Gebiss einweichen. Und mir Menthol-Salbe auf meine entzündeten Fußballen schmieren.«
    »Alles klar«, sagte Everett, dem wieder einfiel, dass wir verfeindet waren.
    Auf dem Weg nach oben nahm ich je zwei Stufen auf einmal. Ich hatte das seltsame Gefühl, er würde mir vielleicht einfach folgen. Doch das tat er nicht.
    Ich möchte nicht sagen, dass ich noch nie verliebt gewesen bin. Das hört sich an, als hätte ich überhaupt keine Gefühle, als wäre ich eine Art Roboter. Ich hatte Menschen geliebt, sie bewundert, sie ins Visier genommen, mit ihnen geflirtet. Ich hatte mich an sie gekuschelt, ihre Gesellschaft genossen und sie vermisst, als sie wieder fort waren. Ich hatte ein ziemlich normales Beziehungsleben voller Treffer und Nieten – okay, mit deutlich mehr Nieten als Treffern. Von außen betrachtet wirkte ich ziemlich normal. Wenn man nicht allzu genau hinsah. Doch ich kannte die Wahrheit über mich selbst, auch wenn ich ver suchte, sie zu verdrängen. Ich hatte mich nie vor Liebe verzehrt. Sie hatte mich nie überwältigt, in die Knie gezwungen oder in Flammen aufgehen lassen. In meinen Augen gab es immer einen Haken. Es gab stets einen Teil meines Herzens, der nicht nachgab.
    Lassen Sie mich eines klarstellen, bevor Sie mir misstrauen: Liebe bedeutete mir etwas. Und ich wünschte sie mir und grübelte darüber nach und sehnte mich auf sämtliche Arten danach, wie Mädchen es eben tun. Ich wusste bloß nicht, wie ich es anstellen sollte. Und ich hatte eine moralische Hemmung, mich der Verzweiflung hinzu geben.
    Hätte ich eine Therapeutin, würde sie bestimmt sagen, dass es einzig und allein mit dem Verlust meiner Mutter zu tun hat. Die Beine übereinandergeschlagen, würde sie auf ihrem Notizblock vermerken, dass ein derart verheerender Verlust – noch dazu mit zwölf Jahren, gerade beim Eintritt in die Pubertät, just in dem Moment, in dem der Körper und das Herz miteinander in Kollision geraten – bei einem Mädchen einen großen Eindruck hinterlässt. Ich hatte auf jeden Fall genügend Gespräche mit Mackie über Was-mit-mir-nicht-stimmt, um eine schlüssige Theorie vorweisen zu können. Wir kamen überein, dass ich an klassischen Intimitätsschwierigkeiten litt. Doch es war eine Sache zu wissen, was mit einem nicht stimmte. Es war ungleich schwieriger, es zu beheben.
    Ich glaubte durchaus an die Liebe – auf eine Art und Weise,

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