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Eine Schwester zum Glück

Eine Schwester zum Glück

Titel: Eine Schwester zum Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Center
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das Mädchen, das er liebte.
    Howard rieb sich die Augen. Wir würden mindestens bis Mitternacht hier sein. »Sie möchten wissen, warum wir diese Bauwerke retten sollen?«, fragte er. Dann sah er mich an. »Weil sie schön sind.«
    »Alle?«, fragte ich.
    »Alle«, sagte er. »Per definitionem.«
    Sogar die heruntergekommenen, fuhr er fort. Auch diejenigen, bei denen Fensterläden fehlten, mit einem Termitenproblem oder einsackenden Dächern. Sogar – Gott behüte – diejenigen, die man in den Sechzigerjahren modernisiert, auf den neuesten Stand gebracht und verbessert hatte.
    »Warum?«, fragte ich.
    »Weil diese Gebäude mit Sorgfalt erbaut worden sind«, meinte er. »Man wusste damals gar nicht, wie man sonst bauen sollte. Man benutzte für diese Bauwerke Materia lien aus der Natur statt einer Beleidigung aus Plastik, Fiber glas, Aluminium und Asbest. Damals wurden Dinge von Dauer und zu Ehren ihrer Umgebung erbaut – der Straße, des Platzes, der Stadt.«
    »Wollen Sie damit sagen, dass das Leben damals besser war?«
    »Die Architektur war damals besser«, sagte er. »Was den Rest anbelangt, habe ich mich noch zu keiner Entscheidung durchringen können.«
    Später erfuhr ich, dass Howard mit seinem Partner Terry in einem kleinen Bungalow im Craftsman-Stil wohnte, den sie Zentimeter für Zentimeter restauriert hatten. Das Haus selbst stammte bis hin zu den Haushaltswaren aus dem Jahre 1915, doch die restliche Einrichtung war ein wunderliches Potpourri aus gestrichenen und neu bezogenen Fundstücken, viele von ihnen auch klassisch modern: Es war ein sparsamer, cooler, völlig eklektischer Look. Howard bewahrte gern Dinge auf und rettete sie gern. Er fand Schätze inmitten von Schund, und ihm schwebte vor, das Beste jeder Ära zu schützen und zu bewahren. Auch Modernes mochte er – wenn es gut gemacht war.
    »Was mir am Herzen liegt«, sagte Howard, »ist Qualität. Was bedeutet schon ein großer Kasten von Geschäft mit einem Riesenparkplatz vor dem Eingang? So etwas macht jegliche menschliche Erfahrung zunichte, es bleibt das pure Shopping.«
    Howard lag die Psychologie der Welt um uns her am Herzen. Er glaubte, dass Menschen glücklicher waren, wenn sie von Schönem umgeben waren. Oder zumindest, dass Menschen ohne schöne Dinge in ihrem Leben nicht glücklich sein konnten. Er wollte gute Design-Prinzipien auf das ganze Land anwenden.
    »Wenn unsere Städte ihr Potenzial erfüllen würden«, meinte Howard mit Nachdruck, »könnten wir die Gelder, die dieses Land für Antidepressiva ausgibt, um die Hälfte reduzieren.«
    Dann nannte Howard mir ein paar Websites, die ich mir ansehen sollte und die voller historischer Fotos von zerstörten örtlichen Bauwerken waren. »Sehen Sie sich die an«, sagte Howard. »Und versuchen Sie sich vorzustellen, wie wunderbar unsere Stadt wäre, wenn wir uns um diese Bauwerke gekümmert hätten. Sie wäre unbeschreiblich. Es gäbe unglaublich viel Schönes.«

10
    U nd so kam ich auf die Idee für die Plakate.
    Ich las mich ein in die Geschichte der Architek tur, von Bibliotheken und von Houston. Im Büro des Denkmalschutzvereins stellten sie mir einen Schreibtisch zur Verfügung, doch ich verbrachte auch viel Zeit in der Frost-Bibliothek selbst. Teils weil es dort Bücher, alte Foto grafien und kluge Bibliothekarinnen gab, die mir gern weiterhalfen. Teils auch, weil es einfach ein schöner Aufenthaltsort war. Selbst wenn ein paar größere Reparaturen – sagen wir einmal – aufgeschoben waren, fühlte sich das Gebäude immer noch gut an: die hohen Fenster, vor denen draußen die Blätter rauschten, das warme Gelb an den Wänden, die Torbogen, die satte Farbe der Holzböden, die Bücher.
    Ich besuchte sie außerdem, weil ich ein bisschen hoffte, einen Blick auf die Geisterlady zu erhaschen. Ein Teil von mir wollte wirklich glauben, dass die Vergangenheit als Echo bis in die Gegenwart widerhallen konnte.
    War ich zu dem Zeitpunkt immer noch schwanger? Ja, ganz offensichtlich. Hatte sich mein Körper in einen gewaltigen fleischfarbenen Wasserball verwandelt? Keine Frage. Und hatte ich aufgehört, in Spiegel zu schauen oder einen Blick an mir herunter zu werfen? Auf alle Fälle! Mit sieben Monaten war ich zu einer schwankenden Stehauffigur geworden, und um nicht den Verstand zu verlieren, ignorierte ich die Situation vollständig.
    Außer natürlich, wenn die Babys um sich traten oder Schluckauf bekamen. Oder ich mich im Bett nicht auf die andere Seite rollen konnte. Oder wenn

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