Eine Schwester zum Glück
gefunden.«
Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte.
Dann drängte er weiter: »Und wenn der Wagen auf dem Highway liegen bleibt?«
»Dad! Du weißt doch gar nicht, wie man ein Auto repariert.«
»Ich kann ganz bestimmt den Automobil-Club anrufen«, sagte er.
»Das kann ich auch.«
»Es ist nicht sicher«, beharrte mein Dad, »wenn eine schwangere Frau alleine unterwegs ist.«
»Du vergisst, dass ich an Dixies Kurs teilgenommen habe.«
Da hielt er inne. »Sie ist wirklich ’ne Nummer, was?«
Ich summte zustimmend. Das war sie zweifellos.
»Okay«, räumte ich endlich ein. »Wenn du mitkommen möchtest. Ich hätte dich wahnsinnig gern dabei.«
»Gut«, sagte mein Dad.
Woraufhin ich erwiderte: »Klasse.«
Und zum Teil war es das wirklich. Auch wenn ich mir im Grunde genommen nicht vorstellen konnte, die ganze Zeit im Auto mit meinem Dad zu verbringen. Ich hatte keine Ahnung, worüber in aller Welt wir uns unterhalten sollten.
Doch wie sich herausstellte, unterhielten wir uns über gar nichts. Wir sangen nur beide bei Willie Nelson mit. Mein Dad kannte jedes einzelne Wort von jedem einzelnen Song – und er hatte eine ziemlich gute Stimme. Nicht nur das, er fand sogar die passenden Harmonien zu den Melodien.
»Vielleicht sollte ich mit dem Banjospielen anfangen«, sagte er einmal an einer Ampel.
»Dad«, erwiderte ich, »das solltest du auf jeden Fall!«
Es funktionierte. Mein Dad las gern, und sobald wir eintrafen, besetzte er einen Stuhl unter dem Pekannussbaum. Ich wollte April zeigen, dass das Leben viele wich tige Dinge zu bieten hatte, abgesehen von Dates mit Leuten wie J. J. Ich brachte ihr immer etwas mit – ein Kreuzworträtselheft, eine Ausgabe von Betty und ihre Schwestern oder einen Zeitungsausschnitt – und saß stundenlang mit ihr auf der Veranda und versuchte, sie geistig anzuregen. Sie dazu zu bringen, ihren Horizont zu erweitern. Ein ausgefülltes Leben hatte so viele Komponenten. Die Liebe war eine, sicher. Aber auch Freundschaft, und anderen zu helfen. Ebenso Spaziergänge, Gesang und sich Gedanken über Dinge zu machen. Ich wollte sie überzeugen, dass ihr eine echte Liebe, eine bessere Liebe, zuteilwerden würde, wenn sie einen anderen – irgendeinen anderen – Teil ihres Lebens bereicherte. Ich wollte ihr klarmachen, dass wir manche Dinge nur finden, wenn wir nicht danach suchen.
»Du meinst so was wie ein Hobby?«, fragte April.
»Ja!«, sagte ich. »Hast du irgendwelche Hobbys?«
»Ich lese gern Modezeitschriften.«
»Das ist gut«, sagte ich heftig nickend. »Und jetzt lass uns eines finden, bei dem du etwas herstellst. Oder tust. Oder lernst.«
Die Worte waren gemein. Was bildete ich mir überhaupt ein? Vor nur wenigen Monaten war ich selbst komplett gedankenlos und egozentrisch gewesen, und meine eigene Transformation war noch lange nicht zu Ende. Sie hatte mich nicht darum gebeten, sie besuchen zu kommen. Was hatte es für einen Sinn, die lange Fahrt wieder und wieder auf mich zu nehmen, wenn kein Mitgefühl im Spiel war?
In Wirklichkeit nahm ich es April übel, dass sie nicht Mackie war. Ich war frustriert, weil sie nicht ganz an den leeren Fleck in meinem Herzen passte, an dem sich sonst immer meine Freundschaft mit Mackie befunden hatte. April bat mich nie um meine Besuche, und es ist komisch, an all die Stunden zurückzudenken, die sie mich auf der Veranda erduldete. Ich hielt ihr Vorträge über die Erderwärmung, gab ihr eine kleine Einführung in den Feminismus, beichtete meine Angst vor Spinnen, schwärmte von dem Vergnügen, Lyrik zu lesen, und erläuterte ihr Schritt für Schritt, wie man eine Quiche machte. Manchmal, wenn eine Pause entstand, konnte ich genau hören, was Mackie gesagt hätte, wenn sie da gewesen wäre.
Doch was ich größtenteils von April zu hören bekam, war oh und wow . Manchmal schlief sie auch ein.
Wann immer ich konnte, ließ ich Anti-J. J.-Propaganda in das Gespräch einfließen. Zuerst versuchte ich, subtil vorzugehen, doch das schien nicht zu fruchten. Schließlich verfiel ich darauf, einfach willkürlich Beleidigungen wie beispielsweise: »Er ist echt mies im Bett, nicht wahr?« einzuwerfen, wann immer sein Name fiel.
Auf jene Bemerkung hin hatte April mit den Schultern gezuckt. »Ich weiß nicht.«
War es möglich, dass er besser geworden war?
Doch sie fuhr fort: »Ich hab nicht wirklich viel mit Sex am Hut.«
Und ich sagte: »Mir fallen etwa zweitausend Linienbusse ein, die da vielleicht anderer Ansicht
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